Man spricht nicht gerne darüber, man beschäftigt sich auch nicht so rasend gerne damit, dass es nicht immer einfach weitergehen wird. Am liebsten so weitergehen, wie man es kennt und lieb gewonnen hat. Lieb gewonnen aus echter Zuneigung oder aus ängstlichem Kompromiss.

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Und natürlich ahnt man: Der Mensch ist in Metamorphosen, seit die Eizelle und das geschwänzte Spermium einander begegnet sind. Und man weiß auch, wohin diese stetige Veränderung, von Aufblühen bis Zerfall, im Endeffekt führen wird. Und man weiß, wovor man sich gerne befreien würde: von dem Endgültigsten, von dem, was auf alle von uns zukommen wird. Das, was da in der ersehnt sehr fernen Zukunft im Dunkeln geduldig wartet.

Das Unausweichliche. Das Ende. Wir fürchten uns vor diesem Endgültigsten in vielerlei Hinsicht, wir fürchten das Verschwinden im Nichts. Noch genauer: Dieses Nichtsein ist uns schlichtweg kaum vorstellbar, denn das Leben ist immer ein Etwas, nie ein Nichts, und wir kennen nur das, was ist: dieses unser Leben. Wir fürchten die Trennung von allem, das uns zuvor bekannt war, wir fürchten den Verlust der Liebsten. Und das Schweigen. Das, was bleibt, wenn Dinge unaufgelöst zurückgelassen werden. Wir fürchten den Verlustschmerz, und wir fürchten die Schuldgefühle, und jede und jeder, der einen Todesfall in der Nähe des Herzens erlebt hat, weiß, dass sie unweigerlich kommen werden, egal wie sehr man sich bemüht hat. Der Mensch ist nicht perfekt. Er ist nicht perfekt, weil er endlich ist. Weil er durch seine Zerbrechlichkeit unverlässlich ist. Nicht Herr seines Schicksals, nicht Hüter der Moiren, sondern leider, leider ein ihnen Ausgelieferter. Der Tod ist gewiss, ungewiss nur die Stunde. Ja, das alles stimmt und schmerzt und brennt inwendig.

Aber. In seiner Unbeständigkeit und in seiner Begrenztheit ist der Mensch auch einzigartig. Und in seiner Widersprüchlichkeit.

Der Mensch ist sterblich, seine Schöpfung aber ist es nicht. Die Höhlenmalereien machten die steinzeitlichen Kunstschaffenden beinahe zeitlos. Das Kolosseum steht immer noch.

Die Mona Lisa lächelt in die Ewigkeit hinein. Die kleine Meerjungfrau wartet unverändert auf eine menschliche Seele. Odysseus sucht immer noch den Weg zurück nach Hause, und im Labyrinth wartet für immer der Minotaurus.

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Ja, der Mensch ist zerbrechlich. Aber auch voll frechen Widerstands gegen das Vergehen. Diese Frechheit, sich dem Vergehen entgegenzustemmen, würde die Götter, die der Mensch in seinem Bestreben nach dem Überdauern erschaffen hat, vermutlich zum Schmunzeln bringen. Dieses kurze Atemholen des Universums, das eine menschliche Lebensspanne bedeutet, kann also angehalten werden.

Das Leben: Nicht mehr als ein gnädiger Hauch. Nicht weniger als die Möglichkeit einer Ewigkeit.