Eine Busfahrt, die ist lustig
Als Billeteur riss er Theaterkarten ab, und als Reiseleiter brachte er amerikanischen Touristen die (politische) Landschaft Österreichs näher. Nach einigen Umwegen setzte Stefko Hanushevsky jedoch alles auf eine Karte – und wurde Schauspieler.
Stefko Hanushevsky ist ein Mensch, der das Prinzip des Umwegs auf unterschiedliche Weisen erfahren hat. Als Reiseleiter für amerikanische Tourist*innen verbrachte er regelmäßig Zeit damit, wieder auf die richtige Route zurückzufinden, und als Schauspieler lernte er nach und nach die Schönheit des Holzwegs in den Proben kennen – und irgendwann auch lieben. Der gebürtige Mühlviertler ist auch jemand, der in seinen Stücken gern voll am Gas steht, sich aber auch freut, wenn das Bremspedal, sofern es eines gibt, voll funktionstüchtig ist. Doch dazu gleich mehr.
2001 zog Hanushevsky für das Schauspielstudium nach Berlin, mit Beginn der Intendanz von Stefan Bachmann kehrte er nach Österreich zurück und ist nun Teil des Burgtheaterensembles. Verleugnen könnte er seine Herkunft aber ohnehin nicht, denn sie steckt in jedem „bissl“, das er im Laufe des Interviews abfeuert. Das möchte der Schauspieler jedoch auch gar nicht, denn sein Aufwachsen in Oberösterreich ist ein wichtiger Bestandteil des Soloabends „Stefko Hanushevsky erzählt: Der große Diktator“.
Wie sich der Abend, der gemeinsam mit dem Schauspieler von Köln nach Wien übersiedelte, zusammensetzt, erläutert er folgendermaßen: „Das Stück besteht zu einem Drittel aus autobiografischen Details aus meinem Leben, ein Drittel ist erfunden, und das letzte Drittel haben wir uns aus Chaplins ‚Der große Diktator‘ ausgeliehen. Im besten Fall vermischen sich die drei Teile so, dass man nicht mehr sagen kann, was wirklich passiert ist und was nicht.“
Ideen, welche Filme gut in den Abend passen könnten, gab es zunächst viele, erinnert sich der Schauspieler. „Irgendwann haben sich die Geschichten, die ich als Reiseleiter für amerikanische Tourist*innen erlebt habe, so sehr in den Vordergrund gedrängt, dass wir darüber zu Chaplins Film kamen, der mich zudem schon seit meiner Kindheit begleitet. Die Tourist*innen, mit denen ich durch Österreich und Deutschland gefahren bin, waren nämlich vor allem an jenen Orten interessiert, die etwas mit dem Zweiten Weltkrieg zu tun hatten. Die Touren waren richtiggehend darauf ausgelegt.“
Aus der Verschmelzung dieser drei Ebenen ist ein unterhaltsamer Abend entstanden, der jedoch fest in seiner Kindheit und damit auch in der (österreichischen) Lebensrealität verankert ist, ist er überzeugt.
Immer wieder musste ich laut brüllende Zuschauerinnen und Zuschauer aus ihren Logen hinausbegleiten.
Hanushevsky über seine Zeit als Billeteur an der Burg
Neuer Satz, neues Glück
Der Reisebus, mit dem Stefko Hanushevsky am Anfang des Stücks ins Kölner Theater fuhr, blieb jedoch in der Stadt am Rhein. Für das Akademietheater wurde er mit viel Liebe zum Detail nachgebaut. „Eine handwerkliche Meisterleistung“, wie der Schauspieler festhält. „Der Bus war schon ziemlich ramponiert. Es war gar nicht so einfach, auf der Marke stehen zu bleiben, die vorgesehen war. Dieser Nervenkitzel fällt nun weg“,fügt er hinzu und lacht. Für Nervosität ist in dem temporeichen Stück aber ohnehin keine Zeit – nach dem ersten Bremspunkt, der in Wien nun wegfällt, hieß es nämlich stets: volle Kraft voraus.
Das hohe Tempo des leichtfüßigen Abends lässt es auch nicht zu, eventuell versemmelten Pointen nachzuhängen, erklärt der Schauspieler. Anders ausgedrückt: Der Bus ist abgefahren. „Das ist eine Sache, die ich aus dieser Arbeit für mich mitgenommen habe: absolut im Moment zu sein.“ Passend zur Bus-Metaphorik nennt Stefko Hanushevsky diese Herangehensweise das „Scheibenwischer-Prinzip“. Was er darunter genau versteht? Er erklärt: „Dinge, die vielleicht danebengegangen sind, einfach wegzuwischen und nach vorne zu schauen. Neuer Satz, neues Glück.“
Nach vorne blicken
Zwei Sätze, die gut zur offenen und entspannten Art des Schauspielers passen. Auch als es darum ging, mit Stefan Bachmann vom Schauspiel Köln ans Burgtheater zu wechseln, blickte er mit ungetrübtem Blick nach vorne. „Für uns als Familie war es schon ein großer Schritt, trotzdem war schnell klar, dass man zu dieser Chance nicht Nein sagt.“
Auf der Bühne musste er sich die Entspanntheit, die er im Interview an den Tag legt, erst erarbeiten. „Ich war – und bin es manchmal immer noch – sehr ungeduldig mit mir selbst. Doch mit der Erfahrung kam bei mir eine gewisse Gelassenheit, aus der auf der Bühne und in den Proben Freiheit entstehen kann.“
„Funken“: Die Systemsprenger
Jung. Begabt. Smart. Divers. In Till Wiebels preisgekröntem Stück „Funken“ zeigt eine Gruppe couragierter Teenager, wie weit man mit Empathie, Solidarität und Idealen kommen kann. Die Macht des Widerstands endet nicht einmal auf dem Mond. Weiterlesen...
Viele der Burgtheater-Gänge kannte Stefko Hanushevsky übrigens bereits. Kurz vor dem Schauspielstudium arbeitete er als Billeteur im Haus am Ring. „Für mich war das eine schöne Möglichkeit, mir möglichst viele Inszenierungen anzusehen – mich immer wieder reinzuschleichen. Auf diese Art habe ich begonnen, das Theater und sein Publikum kennenzulernen. Ich erinnere mich zum Beispiel noch gut an die eine oder andere Episode, als ich laut brüllende Besucher*innen aus der Loge hinausbegleiten musste, mit der Bitte, sie mögen ihrem Ärger über das Stück doch bitte draußen Luft verschaffen.“
Der Schauspieler lacht. Darüber, mit wie viel Emotionalität das Theater in dieser Stadt aufgeladen ist, ist er sich längst bewusst. Ein „bissl“ reicht da als Maßeinheit definitiv nicht aus. Und genau darauf freut er sich.