Eine alltägliche Szene – ein Mann geht zum Bankomaten und will Geld für ein Geschenk abheben. Doch der Bankomat verweigert die Dienste. Die Ersparnisse von Herrn Henrich seien „auf Geschäftsreise“, das Geld „arbeitet“, wie die roboterartige Kundenberaterin ihm erklärt. Mit hohlen Phrasen versucht sie ihn zu beruhigen und abzuwimmeln. So beginnt der Spießrutenlauf des „kleinen Mannes“, der diesen an den Rand des Nervenzusammenbruchs führen wird. Daniel Glattauers bitterböse Bankensatire „Die Liebe Geld“ - hier die Kurzfassung des Inhalts - wurde erdacht, bevor die Commerzialbank Mattersburg ihren Kunden kein Geld mehr auszahlte. Die Realität holte die Fiktion ein.

Anzeige
Anzeige

Nichtsdestotrotz oder umso mehr wurde bei der Premiere im vergangenen September in den Kammerspielen der Josefstadt herzlich über die Not des von Roman Schmelzer verkörperten Mannes gelacht, der sich in einen irrwitzigen Kampf um seine Rechte und sein Geld verstrickt. In der Regie von Folke Braband spielen außerdem Michael Dangl, der als Bankdirektor mit Sprüchen seiner Großmutter kommt und über vieles reden will, aber nicht gerne über Henrichs Geld, Martina Stilp als Kundenberaterin, deren Hauptjob es ist, den Suchenden abzuwimmeln, und Silvia Meisterle als Henrichs Frau.

Zwischen Hilflosigkeit und Wut

Für Schmelzer – der seit 2015 am Theater in der Josefstadt engagiert ist und hier schon in „Wie man Hasen jagt“, „Strudlhofstiege“, „Zwischenspiel“ und anderen mitwirkte - war diese irrwitzige, groteske Komödie anders als andere, die er schon gespielt hat. Nicht allein die Situationskomik, sondern vielmehr das Oszillieren zwischen Komödie und Satire sei in dieser kafkaesken Szenerie interessant gewesen. „Der Humor kommt hier durch Schärfe und Bösartigkeit“, beschreibt Schmelzer im Gespräch mit der BÜHNE. Seine eigene Figur sei ein „gebrochener Charakter“.

Schmelzer: Auf die Not der Figur konzentrieren

Doch nicht allein um das Hervorstreichen des Opfers an sich gehe es. Gerade, „dass die Opferfunktion ja nicht ohne den Gegenpol des sich Verteidigens funktioniert“, habe ihn bei den Proben fasziniert. In der Darstellung dieses Geschädigten der Investment-Welt-Verwirrungen versuche er, „das Problem wirklich als Problem aufzugreifen und nicht auch noch lustig dreinzuschauen oder einen funky move zu machen, sondern mich auf die Not der Figur zu konzentrieren.“ So schwankt Schmelzer in seiner Darstellung zwischen Aufbegehren und Unterwerfen, zwischen Hilflosigkeit und Wut. Immer mehr verstrickt sich seine Figur in den Fangnetzen der Finanzwelt, immer kryptischer sind die Aussagen der Vertreter der Bank, von denen er doch nur eines möchte: sein eigenes Geld.

Wie schon in zahlreichen anderen Figuren, die Schmelzer am Haus spielte – ob Zuhälter und Alkoholiker, am Wahnsinn kratzender Bauer oder verhinderter Seitenspringer - gilt auch bei „Die Liebe Geld“ sein Credo: „Wenn du die Interessen deiner Figur vertrittst und denkst, was sie meint, dann funktioniert es. Und dann kann man anfangen zu formen und satirische Sachen draufzupacken." Ob Komödie oder Tragödie, am liebsten habe er Situationen, in denen es um die Widersprüchlichkeit der Figur geht.

Anzeige
Anzeige

Nach längerer Pause wieder auf der Bühne

Für die ORF-Aufzeichnung spielten Schmelzer und seine Kollegen „Die Liebe Geld“ erstmals seit Beginn dem langen Theater-Lockdown. Mit Spannung hatte der Schauspieler diesem Tag entgegengeblickt, erzählt er, sei es doch besonders interessant, was eine längere Pause mit einer Inszenierung mache: „Es ist ein interessantes Phänomen, dass erstaunliche Dinge passieren, wenn Produktionen nach der Premiere länger liegen und dann wieder aufgenommen werden. Meistens vertiefen sich Szenen und Haltungen, als ob etwas durch das Nichtstun tiefer in die Synapsen eindringen würde“, so Schmelzer.

Alle Infos: „Die Liebe Geld“ auf ORF III

16. April um 21.15 Uhr im Rahmen von „Wir spielen für Österreich“ überträgt.

ORF III: So ein Theater - tv.ORF.at

Weiterlesen

Ein Stück in einer Minute: Die Liebe Geld von Daniel Glattauer