Wenn die Masken fallen. Zwei Theaterpädagoginnen in einer Klasse von 16-jährigen Burschen, einer cooler als der andere. Doch die Fassaden bröckeln, als Lisa Brameshuber und Julia Weingartner sie auffordern, einander spontan Komplimente zu machen. „Es war ein Magic Moment, wie ihn die Theaterpädagogik im besten Fall schaffen kann“, sagt Brameshuber. „Die selbst auferlegten Masken fielen mit jeder Übung, die wir mit den Burschen machten. Wer in unseren Workshops in neue Rollen schlüpft, legt oft eigene ab.“ Natürlich stammt diese Szene aus der Zeit vor Corona. Doch für Brameshuber steht sie stellvertretend für das Schönste, was Theater­pädagogik bewirken kann.

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Wer in unseren Workshops in neue Rollen schlüpft, legt oft eigene ab.

Lisa Brameshuber

Diese Disziplin, in der sie und ihre Kollegin Julia Weingartner arbeiten, hat eine große Bandbreite: Die beiden machen einerseits Workshops in Schulen, die mit Körperübungen und Methoden, die Schauspieler verwenden, die eigene Persönlichkeit der Kinder und Jugendlichen hervorkitzeln sollen. Andererseits sind sie für die Vermittlung jener Inhalte, die in den Aufführungen des Theaters der Jugend vorkommen, zuständig, außerdem für das Erwecken der Begeisterung für die Bühne an sich, durch Probenbesuche ebenso wie durch Führungen hinter den Kulissen. 

Zudem fungieren die beiden als Schnittstelle zwischen Theater und Schulen – und geben auch an Kollegen am Haus weiter, welche Themen in den Klassen aufkommen, was für diese letztlich Inspiration sein kann.

Form follows function

Doch die coronabedingten Schließzeiten haben ihre Aufgaben stark verändert. Sind sie normalerweise drei- bis viermal pro Woche in Schulen unterwegs, war seit Oktober kein einziger Besuch in Klassen möglich. Auch die letzten Workshops sind Monate her. „Manchmal habe ich wirklich überlegt: Was ist mein Job noch mal?“, sagt Brameshuber ernüchtert. „Aber wir haben vor einem Jahr nach der ersten Schockstarre gleich überlegt, wie wir online Wege ins Kinderzimmer finden können.“ 

Wir sind in Bereiche vorgedrungen, die die Kinder normalerweise gar nicht betreten – da hatte das Digitale auch Vorteile

Julia Weingartner
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So wurden sie auch Videoproduzentinnen. Erst waren es Märchen, von Schauspieler:innen des Theaters der Jugend präsentiert, dann wurden die Backstage-Führungen gefilmt. „Dabei sind wir auch in Bereiche vorgedrungen, die die Kinder normalerweise gar nicht betreten – da hatte das Digitale auch Vorteile“, sagt Weingartner. In den ­Videos, die auf der Website des Theaters abrufbar sind, be­gleitet man sie dorthin, wo die Scheinwerfer hängen, wird mit ihnen samt Hub­podium versenkt, kann sich amüsieren, wenn sie sich von der Windmaschine verwehen lassen oder im Fundus lustige Brillen anprobieren, und schaut dem Requisitenmacher im Zeitraffer zu, wie er aus Styropor einen Fliegenpilz fertigt.

Digitale Schnitzeljagd

Als neuestes Angebot haben Brameshuber und Weingartner nun eine digitale Schnitzeljagd durch den ersten Bezirk erstellt: Kinder können mittels der App ­Actionbound und einem vom Theater zur Verfügung gestellten QR-Code den Weg eines Nachtwächters nachgehen, der seine Schlüssel sucht. Dabei stößt man in Videos, die man auf dem Handy sehen kann, auf. Sagengestalten wie den Bäcker, der vom Basilisken erzählt, oder den lieben Augustin, der auch in Pandemiezeiten die gute Laune nicht verliert. 

Die Clips nahmen Brameshuber und Weingartner mit Schauspieler:innen des TdJ auf. Die Kinder können via App Fragen beantworten und Punkte sammeln. Dabei sollen sie „die Stadt anders kennenlernen und sich mit den Sagen auseinandersetzen – ohne dass wir die Moralkeule schwingen“, so Weingartner. „Andererseits wollen wir sie motivieren, genauer zu schauen, was sie umgibt – Schilder, an denen man sonst achtlos vorbeigeht, oder Häuser, die damals anders gebaut wurden als heute.“ Und natürlich wollen die beiden „Theater erlebbar ­machen, diesmal eben outdoor und interaktiv“.

Zu den Personen

Foto: Philipp Horak

Lisa Brameshuber: Die Leiterin der Theaterpädagogik im TdJ (seit 2016 am Haus) studierte Theaterwissenschaften in Wien, war Regieassistentin, Regisseurin und Autorin bei „Junger Salon“. Theaterpädagogik lernte sie am Maxim Gorki Theater Berlin von der Pike auf

Foto: Philipp Horak

Julia Weingartner: Ursprünglich als Volksschullehrerin ausgebildet, studierte sie auch Theaterpädagogik und Deutsch als Fremdsprache. Sie arbeitete in einer Schule ebenso wie in einem Caritas-Theaterprojekt für Flüchtlinge. Seit 2017 ist sie am Theater der Jugend.

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