Vom Kölner Carlswerk ins Burgtheater: Stefan Bachmann ab 2024 in Wien
Kein anderer Posten in der deutschsprachigen Theaterwelt wird so heftig diskutiert wie jener des Burgtheaterdirektors. Drei Tage vor Weihnachten steht fest: 2024 folgt Stefan Bachmann auf den amtierenden Intendanten Martin Kušej.
Stefan Bachmann band seiner Tochter gerade die Schuhe, als er per Telefonanruf gefragt wurde, ob er schon einmal darüber nachgedacht hätte, sich am Burgtheater als Intendant zu bewerben. Er verneinte und bat darum, eine Nacht darüber schlafen zu dürfen. Heute, am 21. Dezember, ist es offiziell: Bachmann, bis zum Ende der nächsten Spielzeit noch Intendant am Schauspiel Köln, wird im Herbst 2024 Martin Kušej als Burgtheaterdirektor ablösen.
Als der gebürtige Schweizer 2013 seine Intendanz in Köln antrat, tat er das als Theaterdirektor ohne Theater. Das Haus am Offenbachplatz wurde einer umfangreichen Sanierung unterzogen, deren Fertigstellung sich auf unbestimmte Zeit verzögerte. Stefan Bachmann stand, wie er im Zuge der Pressekonferenz am Mittwochvormittag erzählt, also vor der Aufgabe, sich selbst ein Theater zu suchen. Auf der sogenannten „falschen Rheinseite“ (der „Schäl Sick“), in Köln-Mülheim, wurde er fündig und aus der Ausweichspielstätte in der Schanzenstraße rasch ein für die Stadt wichtiger Kulturstandort. Als solcher sollte das Carlswerk auch nach dem für 2024/25 geplanten Wiedereinzug des Theaters ins Haupthaus unbedingt weiterhin fungieren, so Bachmann. Dafür würde er sich, wie er hinzufügt, bereits einsetzen.
Schwellen abbauen
Diese Geschichte zu erzählen, sei dem Regisseur, der am Burgtheater unter anderem Elfriede Jelineks „Winterreise“ inszenierte, auch deshalb wichtig, weil sich sein Blick auf das Theater in diesen zehn durchaus fordernden Jahren sehr stark weiterentwickelt, „vielleicht sogar verändert“ hätte. So gab es, neben eher „klassischen Inszenierungen“, unter anderem Versuche, die Menschen aus der Nachbarschaft einzubeziehen. „Das Theater fand auf Straßenniveau statt“, sagt Bachmann und meint damit, dass die Zuschauer*innen – im bildlichen wie im buchstäblichen Sinne – keine Schwelle zu überschreiten hatten. Auf diese Weise wurden Diversität, Inklusion, Nachhaltigkeit und Teilhabe zu einer „künstlerisch gelebten Realität“.
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Im metaphorischen Sinne Schwellen abzubauen sei für ihn auch in Hinblick auf seine Burgtheater-Intendanz von Bedeutung. Es wird ihm, so Bachmann, in seiner Arbeit nämlich auch weiterhin darum gehen, „zeitgemäß auf eine sich verändernde Stadtgesellschaft zu reagieren“. Er möchte Angebote machen, die möglichst alle Menschen ansprechen. „Denn ich glaube, dass ein Bundestheater jenen Menschen gehört, die es bezahlen, und das sind die Bürger*innen.“
Strukturen am Theater neu denken
Über die Programmierung möchte Stefan Bachmann bei der Pressekonferenz noch nichts verraten, auch aus Respekt vor dem amtierenden Intendanten, dessen Programm für die nächsten eineinhalb Jahre nicht von seinen Ideen überlagert werden soll. Außerdem bestünde sein Konzept derzeit noch aus „kleinen Flämmchen, die man schützen muss“ und die auch erst einmal dem Dialog standhalten müssen. Auf das Burgtheater-Ensemble, „das pulsierende Herz des Theaters“, möchte er auf jeden Fall offen zugehen. Außerdem sei es ihm wichtig, ein großes Theaterpanorama aufzuspannen und Tradition und Erneuerung zusammenzudenken.
Auch Christian Kircher, Chef der Bundestheater-Holding, bezeichnet den 56-jährigen Theatermacher im Zuge der Pressekonferenz als Vermittler und Brückenbauer zwischen Tradition und Avantgarde, erwähnt zudem die Energie und Freude an der Aufgabe, die von ihm ausgeht.
Kircher betonte außerdem, dass die Ausschreibung völlig ergebnisoffen erfolgt sei. Insgesamt gab es 15 Bewerbungen von 18 Personen, also auch Bewerbungen in Teams. Für Kunst-und Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer stach Stefan Bachmanns Bewerbung auch aufgrund seines Blickwinkels zum Thema Führung heraus. Es sei ein Gebot der Stunde, Strukturen am Theater neu zu denken. Zudem überzeugte sie sein Ansatz, dass Theater nur in Teamarbeit und im Dialog entstehen könne.
Die 2018 erhobenen Vorwürfe, am Schauspiel Köln herrsche ein „Klima der Angst“, habe er ernst genommen und aus ihnen gelernt, so Bachmann. Es hätte eine Mediation mit dem gesamten künstlerischen Ensemble gegeben, außerdem Coachings und Weiterbildungen zum Thema Führungskultur. Bis zu seinem Amtsantritt 2024 wird der Theatermacher zwischen Köln und Wien pendeln. Ein bisschen würde es sich für ihn wie eine Rückkehr anfühlen, sagt Bachmann, der seit der Intendanz Klaus Bachlers regelmäßig am Burgtheater inszeniert. „Ich habe hier immer gerne – und teilweise auch gut gearbeitet“, fügt er lachend hinzu.
Zur Person: Stefan Bachmann
Stefan Bachmann begann seine Theaterkarriere als Teil der Theatergruppe „Theater Affekt“. Er hospitierte bei Luc Bondy, inszenierte unter anderem am Schauspielhaus Wien und 1997 bei den Salzburger Festspielen. Von 1998 bis 2003 war er Schauspieldirektor am Theater Basel. Für die Inszenierung von Wajdi Mouawads „Verbrennungen“ am Wiener Akademietheater wurde er 2008 mit einem NESTROY ausgezeichnet. Seit 2013 leitet er das Schauspiel Köln.