Unsterblich am Tablet: Michael Maertens über das digitale Jenseits
Im Online-Solostück „Die Maschine in mir (Version 1.0)" beschäftigt sich der Burgtheaterschauspieler mit Transhumanismus. Auch das Publikum schmilzt zur Mensch-Maschine.
Das ewige Leben, nicht erst seit der Corona-Pandemie ein viel diskutiertes Thema. In den vergangenen Jahrzehnten kam mit dem Transhumanismus, also der Verschmelzung von Mensch und Maschine, ein neuer Aspekt hinzu. Burgtheaterschauspieler Michael Maertens beschäftigt sich in dem Solostück „Die Maschine in mir (Version 1.0)" – ein Hybrid aus Performance und Fachvortrag – mit unterschiedlichen Forschungsansätzen zu diesem Thema. Dazu gehört etwa die Optimierung durch implantierte Chips, das Abspeichern des Bewusstseins in der Datencloud oder das Einfrieren des Körpers – denn in Zukunft könnte die Wissenschaft eventuell die medizinischen Probleme gelöst haben, die zum Ableben führen. Dabei steht Maertens auf Bühne des Kasinos, einer Nebenspielstätte des Burgtheaters. Das Publikum sitzt jedoch zu Hause und verfolgt das Stück online.
„Aufhänger ist ein recht bekanntes Recherche-Buch zu dem Thema von Marc O‘Connell", berichtet Maertens der BÜHNE. Der Journalist hat Interviews mit Vordenkern wie Bio-Hacker Tim Cannon, Ray Kurzweil, Leiter der technischen Entwicklung bei Google, oder dem Kryonik-Unternehmer Max More interviewt.
Das Tablet-Publikum
Die Performance wurde von Ben Kidd und Bush Moukarzel entwickelt. Die beiden Regisseure betreiben die Company Dead Centre, mit der das Burgtheater seit 2020 zusammenarbeitet. Die Publikumsbeteiligung spielt bei den Arbeiten der irisch-englischen Gruppe meist eine wichtige Rolle. So auch diesmal. Die Zuseher werden vor der Vorstellungen dazu aufgefordert, drei kurze Videos von sich hochzuladen: neutral, lachend und schlafend. Auf den Stühlen der Zuschauertribüne ist das Publikum dann in Form von Tablets präsent, auf denen die Clips abgespielt werden.
Die Menschen sind also präsent, aber körperlos. Was ist das für ein Gefühl für einen Schauspieler? Für Maertens fühlt sich dieses „Maschinen-Publikum" durchaus real an, wie er erzählt: „Da ich in den Tablets die tatsächlichen von den Zuschauern vorproduzierten Bilder sehe, ist es mittlerweile für mich ein echtes Publikum. Ab und an erkenne ich auch die ein oder andere Person und freue mich und meine Nervosität steigt."
Michael Maertens: „Theater ein Ort des gemeinsamen Erlebens"
Durch die besondere Situation des Stückes ist es für Maertens auch ohne reale Zuschauer ein stimmiger Abend: „Ganz ehrlich: Ich vermisse nichts. Keinen Applaus und keine Reaktionen. Aber das ist dem Abend geschuldet, bei einem anderen Projekt würde mir das Publikum selbstverständlich fehlen."
Prinzipiell war Michael Maertens durchaus ein Kritiker beim Thema Streaming von Kulturvorstellungen. „Ich bin nach wie vor ein 'Streaming-Gegner'. Aber nur, weil ich glaube, dass das Theater ein Ort des gemeinsamen Erlebens ist. Und Dead Centre hat einen Abend geschaffen, der zwar gestreamt werden muss, aber dennoch ein einmaliges Live-Erlebnis bietet."
Disposition des Schauspielers
Wie einmalig kann aber so eine Performance ohne Publikum, mit voraufgezeichneten Reaktionen sein? „Da der Abend live gespielt wird, unterliegt er wie ein normaler Theaterabend, der Disposition des Schauspielers, also mir. Jeder Abend ist daher einmalig", sagt Maertens.
Termine und Karten: Die Maschine in mir (Version 1.0)
Die nächsten Vorstellungen finden am 8.2. und 11.2. statt
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