Der Titel trügt. Von sonnigem Gemüt ist hier niemand. Schon gar nicht Willie Clark. 43 Jahre lang war er gemeinsam mit seinem Kollegen Al Lewis der King of Comedy. Die „Sonny Boys“. Nun sitzt er in seiner New Yorker Ein-Fünftel-Suite. Was in Glanzzeiten fünf Zimmer hatte, ist zu einem schäbigen Raum geschrumpft. Als Al vor elf Jahren das Handtuch warf, riss er auch Willie mit in die Versenkung. Es reicht nicht einmal mehr für Werbejobs. Denn auch für diese sollte man sich den Slogan merken können. Willies Neffe Ben müht sich als sein Agent redlich um Jobs. Vergebens.

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Bis das Fernsehen eine große Show über die Hochblüte des Varietés plant, für die die „Sonny Boys“ ihren berühmten Doktorsketch reanimieren sollen. Und ihre Karriere gleich mit. Das Problem: Willie ist Al spinnefeind …

Neil Simons 1972 uraufgeführte Komödie ist ein Theater-Evergreen, der es in der Filmfassung mit Walter Matthau und George Burns zu Oscar-Ruhm brachte und in der Josefstadt 1999 Otto Schenk und Helmuth Lohner brillieren ließ. Nun machen sich Robert Meyer als Willie Clark und Herbert Föttinger in der Rolle des Al Lewis an das lebensnahe Werk.

Sollte ich mir irgendwann keine Texte mehr merken können, würde ich Lesungen machen, denn dafür muss man nichts ­auswendig lernen.

Robert Meyer

Alt und verbittert

Sind die „Sonny Boys“ so etwas wie die Erhebung in den Adelsstand für einen männlichen Schauspieler jenseits der fünfzig? Robert Meyer, weitaus besser gelaunt als der von ihm gespielte Charakter, lacht. „So dramatisch würde ich das nicht sagen. Aber es ist natürlich eine großartige Rolle, weil sie nebenbei so viel über unseren Beruf erzählt. In dieser Komödie versteckt sich auch eine Tragödie, denn man sieht, wie schnell es bergab gehen kann. Willie Clark war ganz oben und erlebt einen gigantischen Abstieg. Er ist das, was ich niemandem wünsche, wenn er im Alter vielleicht nicht mehr gefragt sein sollte: verbittert.“

Auch wenn Robert Meyer diesen Zustand nicht aus eigenem Erleben kennt, hat er ihn oft genug beobachtet, um dar­aus Inspiration für die Gestaltung der Figur schöpfen zu können. „Ich habe schon als junger Schauspieler am Burgtheater ältere Kollegen getroffen, die kaum noch etwas gespielt haben, aber in der Kantine lautstark Reden schwangen, wie viel besser nicht früher alles gewesen sei. Damals dachte ich, Robert, pass auf, dass du nicht auch einmal so wirst!“ Wurde er nicht. Dafür spielt er es jetzt.

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Robert Meyer
Robert Meyer trägt bevorzugt rote Socken, „außer bei Begräbnissen“. Er habe auch vier Paar violette Socken, „aber mit denen kommt man bei Rapid-Fans nicht gut an“.

Foto: Stefan Fürtbauer

Malediven oder Attersee?

Während Willie Clark im Stück verzweifelt danach trachtet, wenigstens Alka-Seltzer im TV anpreisen zu dürfen, hat Robert Meyer nie Werbung gemacht. „Nein, ich war immer wahnsinnig eitel und dachte, wer am Burgtheater engagiert ist, sollte das nicht tun. Die Leute hören im Radio meine Stimme, wie ich für Klopapier werbe, und dann sehen sie mich in einer ernsten Rolle auf der Bühne. Das geht doch nicht. Einmal hat mich ein Kollege, der Werbung für eine Fensterfirma eingesprochen hat und dafür sehr gut bezahlt wurde, ins Studio mitgenommen. Da wurde ich von einer Agentin gefragt, wie es denn bei mir ausschaue: ‚Wollen Sie im Sommer Urlaub auf den Malediven machen oder am Attersee bleiben?‘ Ich blieb am Attersee.“

Dass er wahrscheinlich Schwierigkei­ten damit hätte, wenn eines Tages die Engagements ausblieben, will Robert Meyer gar nicht verhehlen. „Aber noch ist es nicht so weit. Sollte ich mir irgendwann keine Texte mehr merken können, würde ich Lesungen machen, denn dafür muss man nichts auswendig lernen.“ Für „Sonny Boys“ schon. Gerade Willie Clark ist in jeder einzelnen Szene präsent und spricht beinahe ohne Unterlass. „Der Text ist hervorragend, weshalb man ihn auch leicht behält, auch wenn er ausschließlich aus schnellen Dialogen besteht. Generell sind Monologe einfacher zu erlernen, weil einem dabei keiner dazwischenquatscht. Hier muss man hingegen immer auch im Kopf haben, was der andere sagt, damit man darauf antworten kann.“

Zwischen Herbert Föttinger und Robert Meyer stimmt die Chemie. Das weiß man spätestens seit ihren gemeinsamen Auftritten in Alexander ­Ostrowskijs „Der Wald“. Zwei Schauspieler, die verstehen, was Timing bedeutet und wie man Pointen richtig setzt.

Robert Meyer
Herbert Föttinger und Robert Meyer entdeckten durch ihre Zusammenarbeit in „Der Wald“ (Bild), dass sie das Zeug zum ­komödiantischen Duo haben. Nun können sie dies als Willie Clark und Al Lewis in „Sonny Boys“ erneut unter Beweis stellen.

Foto: Moritz Schell

Keine Kehrseite

Auch wenn Stephan Müllers Inszenierung „Sonny Boys“ den nostalgischen Charme belässt, ist man von manchem, was 1972 noch für Lachsalven sorgte, heute eher peinlich berührt. Zum Beispiel von jener Stelle, an der Willie Clark ausgiebig das Hinterteil seiner Krankenschwester begutachtet und bewertet. „Diese Szene haben wir gestrichen. Und das finde ich auch gut so. Ich bin wirklich nicht prüde und denke mir oft, dass aktuell vieles weggelassen oder abgeändert wird, worin der eigentliche Humor liegt. Aber darüber kann auch ich nicht lachen. Das ist wirklich ein Altherrenwitz.“

Oft wird behauptet, das Publikum brauche zur Entlastung vom Wahnsinn namens Leben mehr Komödien. Machen solche auch dem Schauspieler mehr Spaß? „Ja, weil man die Reaktion der Zuschauer sofort mitkriegt. Wenn man Pointen einstudiert und die dann auch entsprechend ankommen, ist das Lachen unmittelbar.“

Im Theater in der Josefstadt bzw. in den Kammerspielen ist Robert Meyer in dieser Spielzeit auch als Arkadij Stschastliwzew in „Der Wald“ und als theologischer Sachverständiger Thiel in Ferdinand von Schirachs „Gott“ zu sehen. Parallel spielt er im Münchner Gärtnerplatztheater Alfred P. Doolittle in „My Fair Lady“ und den Frosch in der „Fledermaus“. Nächstes Jahr kommt in der bayerischen Landeshauptstadt die völlig unbekannte Strauss-Operette „Waldmeister“ hinzu. „Damit geben wir im April 2025 auch ein Gastspiel in Wien.“

Ein Schicksal wie das von Willie Clark wird ihm also noch lange erspart bleiben. Zumal „Sonny Boys“ – dafür muss man kein Hellseher sein – ein Dauerbrenner werden dürfte.

Maria Köstlinger

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