Ein offenes Haus: So wird die Saison 2024/25 im Schauspielhaus Wien
Eine Uraufführung und eine Marathonlesung von Thomas Köck, ein neues Stück von Mazlum Nergiz und das lang erwartete Schauspielhaus-Debüt von Aslı Kışlal: Die zweite Saison des neuen Leitungsteams des Wiener Schauspielhauses hat unter anderem vier Uraufführungen und eine deutschsprachige Erstaufführung im Gepäck. Wir haben den Überblick.
„Der neue Spielplan setzt den Fokus auf partikulare Perspektiven fort, rückt wieder starke Erzählungen in den Mittelpunkt und fragt nach politischen Zusammenhängen von Biografien und Lebensentscheidungen. Ein Programmschwerpunkt liegt auf der Auseinandersetzung mit der Bedrohung durch rechtsextreme politische Ideologien in Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Mit dem Publikumszuspruch in unserer ersten Saison freuen wir uns auf 2024/25" – so beschreibt die aus Marie Bues, Martina Grohmann, Tobias Herzberg und Mazlum Nergiz bestehende Leitungsgruppe des Schauspielhauses Wien die Vorhaben der kommenden Saison. Zudem wird es eine verstärkte Beschäftigung mit den Geistern der Vergangenheit geben, die in regelmäßigen Abständen die Gegenwart durchdringen, ergänzt Martina Grohmann im Rahmen der Spielplanpräsentation im Usus.
Über die vergangene Spielzeit zeigt sich das Leitungsteam sehr erfreut. „Es gab eine große Neugier am Anfang, und das hat sich toller Weise bis jetzt auf hohem Niveau gehalten", sagt Tobias Herzberg, der zudem findet, dass das Schauspielhaus – auch abseits des gleichnamigen partizipativen Formats – insgesamt ein wirklich „offenes Haus“ ist. Zufrieden mit der ersten Saison unter dem neuen Leitungsteam ist auch der kaufmännische Direktor Matthias Riesenhuber. Das Schauspielhaus sei zu 81 Prozent ausgelastet gewesen, berichtet er.
5 Premieren und viel neue Dramatik
Das neunköpfige Ensemble bleibt bestehen wie gehabt – sein Mitglieder heißen auch in der Saison 2024/25 Tala Al-Deen, Iris Becher, Tina Keserović, Florentine Krafft, Kaspar Locher, Sophia Löffler, Sissi Reich, Ursula Reiter und Maximilian Thienen. In fünf Premieren – darunter vier Uraufführungen und einer deutschsprachigen Erstaufführung – erspielen sie sich aktuelle Theatertexte von Thomas Köck, Mazlum Nergiz, Guido Wertheimer, Eve Leigh sowie eine Romanadaption von Elias Hirschl. Die Ensemble-Reihe So^lo wird fortgeführt.
Die erste Premiere findet am 26. September statt. Ein Jahr lang hat der dem Schauspielhaus sehr verbundene Autor und Dramatiker Thomas Köck akribisch notiert, wovon in Österreich berichtet wurde – was gesagt, aber auch was verschwiegen wurde. Es entstand der Text „Chronik der laufenden Entgleisungen (austria revisited)", der in einer Koproduktion mit dem Schauspielhaus Graz in beiden Städten gezeigt wird. „Es wird ein großes Spektakel“, hält Marie Bues fest, die den Text inszeniert. Am Vortag der Nationalratswahl wird der Autor auch selbst aus seinem bei Suhrkamp erschienenem Buch lesen. Die Lesung findet in Kooperation mit dem Literaturhaus und der Alten Schmiede statt.
Die zweite Premiere mit dem Titel „Am Fluss“ ist eine Koproduktion mit dem Slowakischen Nationaltheater. Der Text stammt aus der Feder des zum Leitungsteam gehörenden Autors Mazlum Nergiz. Vor dem Hintergrund der AIDS-Krise und des europäischen Faschismus verbinden sich in diesem Stück die Schicksale unterschiedlicher Figuren miteinander. Alle sind sie Opfer von Gewalt und kommen in einer Hafengegend in Manhattan miteinander ins Gespräch.
In der nächsten Premiere inszeniert „der erfahrenste Regisseur der Spielzeit das Stück des jüngsten Autors", sagt Martina Grohmann. Die Rede ist von Stephan Kimmig, der Guido Wertheimers Stück „Die realen Geister“ auf die Bühne bringt. Der Text rund um Jason, der auf der Suche nach seinen jüdischen Vorfahren ist und sich auf seiner Reise in den Hacker Liebeskind verliebt, wurde mit dem Hans-Gratzer-Preis 2024 ausgezeichnet.
Es folgt die deutschsprachige Erstaufführung des Stückes „Salty Irina“ von Eve Leigh, das für das Schauspielhaus gerade übersetzt wird. „Ich habe das Stück beim Edinburgh Fringe Festival im Original gesehen und war begeistert", so Herzberg über das Stück, das nach Möglichkeiten und Grenzen von Zivilcourage fragt. Im Mai 2025 adaptiert Aslı Kışlal Elias Hirschls Roman „Content“ für die Bühne und Ensemblemitglied Florentine Krafft inszeniert mit Studierenden der MUK Ewe Benbeneks „Juices“.
Das Offene Haus bietet auch in der kommenden Spielzeit wieder zahlreiche Clubs und Formate für Menschen von 15 bis 115. In einem der Projekte werden sich die Spieler*innen dem Donaukanal widmen.