Entweder und oder. Philippa „Pippa“ Galli fühlt sich dann vollständig, wenn sie beides tun kann – Musik machen und Theater spielen. Warum sollte man aber auch alles auf eine Karte setzen, wenn es doch so viele bunte Karten gibt, die ausgespielt werden möchten? Plural statt Singular lautet die Devise der konsequent multitaskenden Künstlerin, die mit 16 die Schule abbrach, um Schauspielerin zu werden. Oder besser: Vielfältigkeit statt Eindimensionalität. Diese drückt sich jedoch nicht nur darin aus, dass sich Pippa Galli in zwei künstlerischen Bereichen gleichermaßen zu Hause fühlt, sondern auch in ihrem musikalischen Schaffen an sich. Vielleicht liegt die „schüchterne Revolte“, von der sie in ihrem Song „Coco Chanel“ singt, genau darin, all die Schubladen, in die man sie bislang stecken wollte, schnell wieder zuzudrücken. „Ich habe oft gehört, dass meine Musik cool ist, aber schwer einzuordnen“, sagt sie mit ruhiger Stimme. „Am Anfang hat mich das gekränkt, mittlerweile sehe ich es aber eher als Kompliment, weil ich Dinge, die sich nicht in Schubladen stecken lassen, total mag. Dieser Wunsch, alles einordnen zu wollen, macht mich fast ein bisschen wütend, gleichzeitig ziehe ich aus dieser Wut aber auch Energie und mache erst recht Sachen, die überraschen.“

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„Der Tagtraum ist für mich ein Ort, an dem ich mir Dinge ausmalen kann, die nur mir gehören.“

Pippa Galli

Musikalische Früherziehung

Wir sitzen im Café Kriemhild im Fünfzehnten. Pippa Galli pendelt gerade zwischen Melk, wo sie in der Theaterproduktion „Die Borgias“ zu sehen ist, und Wien, der Stadt, in der sie lebt, hin und her. Die Arbeit an ihrem vierten Album, das „Träume auf Zement“ heißen wird, läuft auf Hochtouren. „Ich schöpfe gerne aus meinen Träumen – vor allem aus meinen Tagträumen. Es gibt einen Song auf dem neuen Album, in dem es um die Gefahr geht, die darin liegt, sich in Tagträumen zu verlieren. Gleichzeitig ist der Tagtraum für mich auch ein Ort, an dem ich mir Dinge ausmalen kann, die nur mir gehören und in die mir niemand reinreden kann.“

Inhaltlich wie musikalisch kreise ihr viertes Album sehr um das Thema Kontraste, erzählt sie. „Ohne jedoch zu konzeptuell damit umzugehen“, fügt sie hinzu und setzt lachend nach: „Ich tendiere nämlich dazu, mir Klammern zu schaffen, und liebe es konzeptuell zu arbeiten.“ Darüber hinaus ist es auch ein Album geworden, das von Bands wie Wir sind Helden geprägt ist. „Ich habe früher sehr viel Nirvana und Radiohead gehört, später kamen dann Bands wie Element of Crime und Wir sind Helden dazu. Über meine Mama habe ich schon sehr früh die Beatles und Nina Hagen kennengelernt, meinem Papa ist es gelungen, mich für Klassik zu begeistern“, fasst Pippa Galli ihre musikalische Früherziehung zusammen.

Pippa Galli
Im Frühjahr erscheint Pippas viertes Studioalbum „Träume auf Zement".

Foto: Emil Hildebrand

Raum für Umwege

Das Theater hat sie auch in musikalisch intensiven Phasen nie ganz losgelassen, erinnert sie sich. „Ich habe früh zum Theaterspielen begonnen, hatte irgendwann aber ein bisschen genug davon – nicht vom Spielen selbst, aber vom Betrieb und seinen Strukturen. Das Musikprojekt, das sich über die Zeit richtig aufgedrängt hat, habe ich daraufhin intensiver verfolgt, aber nie daran gedacht, das Theater ganz aufzugeben.“

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Bei Konzerten hätte ihr ihre Theatererfahrung zu Beginn sehr geholfen, hält Pippa Galli fest, überleget kurz und fügt dann mit der für ihre Art zu sprechen typischen Schnörkellosigkeit hinzu: „Die Konzertbühne ist natürlich eine ganz andere Baustelle, weil man nicht den Schutz einer Inszenierung oder einer Rolle hat.“

Auf die Bühne zu gehen – egal ob im Theaterkontext oder im Rahmen eines Konzerts – hätte für sie etwas von einem heiligen Akt, sagt sie. Wir wollen mehr wissen. „Ich meine damit, dass es Entscheidungen braucht. Ich würde zum Beispiel nie in einem T-Shirt und einer Jeans auf die Bühne gehen. Das bedeutet nicht, dass man eine riesengroße Show aufziehen muss, aber wenn man keine macht, ist das auch eine Entscheidung. Wenn ich viel Geld zur Verfügung hätte, würde ich mir ansehen, welche Bühnenbildelemente ich spannend fände und mir eine Setzung überlegen. Das ist bestimmt etwas, dass das Theater in mein Musikmachen hineingebracht hat.“

Etwas schwerer fällt es ihr, festzumachen, wie sich die Musik auf das Theater ausgewirkt haben könnte. „Möglicherweise ist mein Denken dadurch rhythmischer geworden. Und eine Sache ist definitiv passiert: Ich habe große Lust bekommen, Musik fürs Theater zu machen.“ Pippa Galli lacht ihr offenes Lachen, im Hintergrund scheppern Kaffeetassen.

Eine Sache zur Wechselwirkung von Theater und Musik möchte sie noch loswerden: „Abgesehen von der Präsenz auf der Bühne bin ich auch selbstbewusster geworden – weil ich weiß, dass ich schon etwas Eigenes auf die Beine gestellt habe. Dadurch fühle ich mich mehr als eigenständige Künstlerin und nicht so sehr als Rädchen in einem System, wobei das keinesfalls überheblich gemeint ist.“

So klingt es auch nicht. Überhaupt ist Überheblichkeit etwas, das man Pippa Galli nicht einmal im kühnsten und absurdesten Tagtraum zuschreiben würde. Die Schauspielerin und Musikerin spricht unprätentiös, ihre Sätze entstehen suchend, sind dabei aber immer von einer großen Klarheit geprägt. Nach einiger Zeit ist man sich außerdem nicht mehr so sicher, ob das mit der „schüchternen Revolte“ tatsächlich so zutreffend ist. Revolte: ja. Aber Schüchternheit? Auf den ersten Blick vielleicht, aber bereits nach einigen Sätzen ist klar: Pippa Galli weiß ganz genau, was sie will. Und was sie nicht will.

Was sie im Theater will: Freiheit und Raum für Umwege. „Ich liebe das, wenn ich mich herantasten und auch einmal schlecht sein kann. In allem, was ich tue, denke ich mir, dass es besser ist, zu scheitern, als von Anfang an auf Nummer sicher zu gehen. Ich mag das auch in der Musik – wenn ich erkenne, dass etwas ausprobiert wurde, obwohl es vielleicht nicht zu hundert Prozent aufgegangen ist."

Pippa Galli
Pippa Galli in „Die Borgias“ in Melk.

Foto: Daniela Matejschek

Entweder und oder

Die Freiheit, von der sie spricht, hätte sie unter anderem bei Sarantos Zervoulakos erlebt, mit dem sie gerade das Stück „Die Borgias“ in Melk erarbeitet hat. „Wir konnten sehr gut miteinander. Die Proben waren jedoch alles andere als einfach, weil äußere Umstände wie Hochwasser und Kälte die Arbeit etwas erschwert haben.“ Schon im vergangenen Jahr stand Pippa Galli bei den Sommerspielen Melk auf der Bühne – in Magda Woitzucks Überschreibung des Kassandra-Mythos, den Christina Gegenbauer für die Sommerspiele inszenierte.

Apropos Melk: Am 8. November gibt es bereits ein Wiedersehen – da spielt Pippa Galli mit ihrer Band in der Tischlerei. Bis dahin gilt: Tagträumen, Theater spielen und Musik machen. Und vielleicht auch ein bisschen: „Nichts tun“ – so heißt auch die erste Single vom neuen Album.

Also: Entweder und oder und oder und oder.

Zu den Spielterminen von „Die Borgias“ bei den Sommerspielen Melk!