Es kam anders als geplant. Eigentlich wollte Martin Schläpfer kürzertreten. Nach elf erfolgreichen Jahren beim Ballett am Rhein, das er zu einer der führenden Kompanien Europas gemacht hat, hatte er im Sinn, wieder in die Schweiz zu übersiedeln, wo er als Bauernbub aufgewachsen und als Fünfzehnjähriger am Eislaufplatz entdeckt worden war. Vom Alterssitz aus wollte er als freier Choreograf arbeiten. Das Angebot von Bogdan Roščić ließ ihn nach anfänglichem Zögern umschwenken. Doch der Einstand des Erfolgsverwöhnten in Wien verlief abermals anders als erwartet: Corona, die Aufregung rund um die Ballettakademie und die Neuaufstellung derselben, Verhandlungen mit Tänzern. Als wäre der Antritt eines neuen Ballettchefs, der mit den bisherigen wenig gemein hat, nicht aufregend genug. 

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Energiegeladene, präzise Choreografien

So scheu Schläpfer auch wirkt, so explosiv sind seine Arbeiten. Ästhetische, energiegeladene, abstrakte, höchst präzise, wie auf dem Reißbrett entworfene Choreografien fern dem Klassischen sind seine Spezialität. Für ihn sei Tanz dann gut, „wenn die Menschen spüren: Das ist für alle … art is for people“, sagt er – und fällt, wie so oft, ins Englische. 

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Choreografie zu Mahlers 4. Sinfonie

Er setzt sich gerne mit großen Themen und mit sinfonischer Musik auseinander; mit Handlungsballetten kann Schläpfer weniger anfangen – wiewohl er weiß, dass er dem Wiener Publikum Werke wie „Schwanensee“ und „Giselle“ nicht wegnehmen darf (und dies auch nicht plant). Die Tänzer des hiesigen Ensembles schätzt er „für ihre Virtuosi­tät und ihre Energie“, die gut zu seinem Stil passen. Zusätzlich bringt er einige ihm vertraute Tänzer mit. 

Seinen für Wien noch ungewohnten Stil wird er im November mit der Uraufführung von „4“ vorstellen, einer Choreografie zu Mahlers 4. Sinfonie, die er mit Hans van Manens „Live“ kombiniert. Zuvor aber ist van Manens „Adagio Hammerklavier“ Teil der ersten Premiere der Ära Schläpfer. Unter dem Titel „Hollands Meister“ werden an der Volksoper drei Werke kombiniert, die in Wien bereits zu sehen waren, aber nun neu zusammengestellt sind. Während „Adagio Hammerklavier“ schwebend wie eine Feder wirkt, ist „Skew-Whiff“ von Sol León und Paul Lightfoot verspielt, Jiří Kyliáns „Symphony of Psalms“ voll Tempo und immer im Fluss.

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„Adagio Hammerklavier“ von Hans van Manen hen und kommt nun in der Reihe „­Hollands Meister“ an die Volksoper.

Foto: Wiener Staatsballett/Ashley Taylor

Neues Publikum begeistern

Große, ihm ähnliche Zeitgenossen werden auch in weiteren Premieren eine Rolle spielen. Generell möchte Schläpfer „klassisches Ballett aufführen und mir dennoch selbst als Künstler treu bleiben im Gehen neuer Wege“. Erklärtes Ziel ist es, auch jene zu begeistern, die bisher noch nicht in Ballettvorstellungen kamen (mit dem Restrisiko, damit jene vor den Kopf zu stoßen, die diese zuletzt stürmten). Schläpfer geht es aber keinesfalls um einen Bruch mit dem, was sein Vorgänger Manuel Legris aufgestellt hat. Werke wie „Jewels“ und „La Fille mal gardée“ bleiben ebenso im Repertoire wie „Peter Pan“ und „Coppélia“. 

Mehr von Schläpfer selbst gibt es dann im Jänner mit „Ein deutsches ­Requiem“ sowie im Frühjahr mit seinen Beiträgen zu „Promethean Fire“ und „Tänze Bilder Sinfonien“, Letztgenanntes wie „4“ eine Uraufführung, die zeigen wird, welchen Weg er gemeinsam mit dem Wiener Ensemble einschlägt. Klar sei: Er wolle Publikum und Tänzer „sanft, aber firmly“ in eine neue Richtung führen.

Martin Schläpfer, 60
Der neue Direktor des Wiener Staatsballetts machte zuletzt das Ballett am Rhein Düsseldorf Duisburg zu einem der führenden Ensembles Europas, mehrfach wurde es zur „Kompanie des Jahres“ gewählt. Schläpfer war früher selbst Tänzer, unter anderem am Basler Ballett, und schuf mehr als 70 Choreografien.

Termin: „Hollands Meister“
ab 20. September, 19 Uhr, in der Volksoper Wien
volksoper.at