Als „Mister Frost der Dramatik“ wurde der norwegische Autor, Literaturnobelpreisträger und „Magier der Stille“ Jon Fosse einmal bezeichnet. Auf Fabian Reichenbach, der demnächst in „Der Name“, einem frühen Stück Fosses, auf der Bühne des Volkstheaters zu sehen sein wird, trifft das ganz und gar nicht zu. Offen plaudert er drauflos, einen sogenannten „Icebreaker“ braucht es nicht. Die Mittagssonne, die sich an diesem Septembertag dazu entschlossen hat, Wien auch buchstäblich in einen Schmelztiegel zu verwandeln, tut ihr Übriges dazu. Wie auf der Theaterbühne zeigt der gebürtige Leipziger auch im Interview, dass er beides kann – laut und leise sein, verschmitzt und ernst. Den Drang, sich mit Haut, Herz und Haar in die Menge zu werfen (im übertragenen Sinne natürlich) nimmt man ihm auf der Bühne genauso ab wie eine tief verwurzelte Hintergründigkeit.

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In Zusammenhang mit seiner Rolle in „Bullet Time“ wird er etwas später im Interview noch darauf zu sprechen kommen, dass widersprüchliche Figuren einen großen Reiz auf ihn ausüben.

Obwohl er – nach seinem Studiojahr in Kooperation mit der Kunstuniversität Graz – nun sein erstes Jahr als festes Ensemblemitglied antritt, hat sich Fabian Reichenbach in Wien längst einen Namen gemacht. Mit der Produktion „Der kleine Prinz“ tourte er durch die Bezirke und lernte nebenbei Wien kennen, in „Du musst dich entscheiden!“ trug er dazu bei, das Volkstheater in eine große Vorabendquizsendung zu verwandeln, und in der Roman-Adaption „Die Inkommensurablen“ überzeugte er unter anderem mit seinen Multitasking-Qualitäten.

Das Interview findet nach den Theaterferien und wenige Tage vor der Premiere von „Bullet Time“ statt. Die Proben für „Der Name“ hätten noch nicht begonnen, den Text habe er jedoch bereits gelesen, erzählt Reichenbach. „Beim ersten Lesen empfand ich das Stück als sehr beklemmend, weil es auf eine Ergebnislosigkeit hinarbeitet. Gleichzeitig haben diese Stillen für mich einen Raum aufgemacht, bei dem ich mich sofort gefragt habe, wie man ihn füllen kann. Mehr als der Kopf haben sich bei mir gleich alle Sinne eingeschaltet. Ich hatte sofort Lust, Dinge auszuprobieren. Ich habe diesen Text eher wie eine Choreografie oder einen Tanz gelesen.“

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Jetzt geht es erst so richtig los!

Dass es am Theater so viel Raum gibt, Dinge auszuprobieren und Umwege zu gehen, schätze er sehr an seinem Beruf, hält Fabian Reichenbach fest. Auch im Studiojahr hatte er stets das Gefühl, diesen Raum für sich und seine Ideen nutzen zu können. „Ich wurde nie belächelt, sondern in meiner Arbeit von Anfang an ernst genommen. Das liegt auch daran, dass wir einander nicht so sehr über die Arbeit begegnen, sondern zunächst einfach als Menschen – und dann anfangen, zu arbeiten. Außerdem gibt es hier am Volkstheater ein großes Bestreben, es gemeinsam zu schaffen. Das zieht sich nicht nur durch das Ensemble, sondern durch das gesamte Haus – man stellt sich der Sache als Gruppe zur Verfügung. All diese Dinge haben es sehr einfach für mich gemacht, mich hier sofort wohlzufühlen“, sagt Fabian Reichenbach, der seine ersten Theatererfahrungen in der freien Szene in Leipzig gemacht hat. Vor dem Schauspielstudium in Graz studierte er Soziale Arbeit, entschied sich dann aber für das Theater.

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„In der Schauspielschule lernt man, eine Sprache zu finden und einzuordnen, was man sieht. Aber erst jetzt geht es so richtig los. Auch über das Beobachten von Kolleg*innen lerne ich jeden Tag dazu“, ergänzt der Schauspieler, der sich am Volkstheater gefördert und auf gute Weise gefordert fühlt. „Ich bekomme Figuren, die differenziert sind, man übergibt mir Verantwortung, und ich werde in meiner Arbeit gesehen“, schließt er seine Ausführungen mit ruhiger Stimme ab.

Das spiegelt sich unter anderem in der Figur des Spencer wider, die Fabian Reichenbach in „Bullet Time“ verkörpert. „Als Anwalt möchte er Muybridge an den Galgen bringen, allerdings ist er sehr von seinen Emotionen geleitet. Gleichzeitig strebt er nach Ordnung und will die Oberhand behalten. Dieser Balanceakt macht sehr viel Spaß“, beschreibt der Schauspieler die Figur. Seinen Rollen nähere er sich gerne von außen nach innen, fügt er hinzu. „Bevor die Ebene des Textes dazukommt, stelle ich mir beispielsweise vor, dass ich mit der Figur befreundet bin – ich modelliere sie von außen.“

Als wir für einen Moment unterbrochen werden, verliert Fabian Reichenbach kurz den Faden. Er lacht, dann entsteht ein Augenblick der Stille – aber kein unangenehmer, sondern einer, der Räume aufmacht. Diesen nützt Fabian Reichenbach, um unverblümt und offen zu verkünden: „Ich bin gerade sehr glücklich.“

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