Claudius von Stolzmann: Was der Mann alles kann
Eislaufen, singen, Klavier spielen: Claudius von Stolzmann tut viel für die Kunst. Der Erfolg gibt dem Josefstadt- Akteur recht.
Im Theater ist das Licht aus. Das ist keine Metapher auf die verordnete Zwangspause im Dezember, sondern beim Termin mit Claudius von Stolzmann lachfördernde Realität. Der Schauspieler und sein Interviewer irren an einem frühabendlichen Freitag von Zimmer zu Zimmer auf der vergeblichen Suche nach Illumination. Nachdem endlich ein elektrifizierter Raum gefunden ist, funktioniert die Kaffeemaschine nicht. Es tut auch ein Glas Wasser – danke. Doch aus dem Hahn fließt ausschließlich warmes Nass. Charlie Chaplin hätte an so viel Slapstick seinen Spaß gehabt. Wir hatten ihn auch.
Claudius von Stolzmann trägt eine Jogginghose, der man deutlich ansieht, dass sie an diesem Tag schon mehrmals Bodenkontakt hatte, und entschuldigt sich „für diesen Aufzug“. Er kommt gerade von einer Eislaufprobe für die verschobene Premiere von „Anna Karenina“. Neben Einzeltrainings, um die technischen Grundlagen zu erlernen, steht auch ambitionierter Paartanz auf dem Programm. „Ich liebe das“, erzählt er, „je größer die Herausforderung, desto begeisterter stürze ich mich darauf. Ich hätte nie gedacht, dass mir Eislaufen so viel Freude machen könnte. Immer wenn ich bei irgendwelchen Weihnachtsmärkten auf dem Eis stand, fand ich es furchtbar. Jetzt fängt langsam die Sicherheit an, und der Spaßfaktor wächst.“
Zur Person: Claudius von Stolzmann
studierte an der Hochschule für Schauspielkunst Ernst Busch in Berlin sowie an der New York University Tisch School of the Arts. Er spielte u. a. am Volkstheater Wien, an der Volksbühne Berlin sowie bei den Salzburger Festspielen und wirkte in zahlreichen Film- und TV-Produktionen mit. Er wirkte bereits in zahlreichen Film- und Fernsehproduktionen mit. Seit 2017 ist er Ensemblemitglied des Theaters in der Josefstadt, wo er in der aktuellen Spielzeit in neun Produktionen zu sehen war/ist. 2009, 2010 und 2021 war er für den NESTROY nominiert.
Claudius von Stolzmann hat, so könnte man es ausdrücken, gerade einen guten Lauf. Seine Darstellung des Mackie Messer in der „Dreigroschen- oper“ brachte ihm hervorragende Kritiken und eine Nestroy-Nominierung als bester Hauptdarsteller ein. Gewonnen hat Michael Maertens. Ist er dem Kollegen deshalb böse? „Wie antworte ich auf diese Scherzfrage? – Ja,ich bin stinksauer! Ich werde Maria Happel schreiben, damit sie mir Tricks verrät, wie ich ihn nächstes Jahr übertreffen kann“, sagt der knapp Unterlegene und lacht. „Ich glaube schon, dass ich es verdient hätte zu gewinnen, deswegen war ich wohl auch nominiert – um es einmal eitel zu formulieren. Aber das, was der Michael geleistet hat, ist großartig, und am Ende ist jede Preisverleihung auch subjektiv.“ Claudius von Stolzmann blieb auch so im Gedächtnis, sang er doch bei der im TV ausgestrahlten Verleihung ohne Publikum „Wovon lebt der Mensch?“ aus der „Dreigroschenoper“. Und das ist musikalisch nicht gerade „Hänschen klein“, sondern anspruchsvolle Stimmakrobatik. Etwas, das er sich, wie das Eislaufen, beigebracht hat.
Viele meinen, Claudius von Stolzmann sei aber ein krasser Künstlername. Oida, ich heiße einfach so!
Claudius von Stolzmann, Schauspieler
„Ich habe eine gewisse Grundmusikalität und habe im Schulchor gesungen, aber das richtige Singen auf der Bühne habe ich extra für das Stück trainiert. Ich habe es mir mit einem Gesangslehrer und durch viel Korrepetition mit unserem Musikalischen Direktor Christian Frank angeeignet, denn ich hatte nie eine Gesangsausbildung.“
So viel Ehrgeiz muss sein. Und weil er es in seiner Kindheit „aus Faulheit“ verabsäumte, ein Instrument zu erlernen, holt er dies nun seit eineinhalb Jahren am Klavier nach.
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Von Brecht zu Shakespeare
In einer Kritik zur „Dreigroschenoper“, die übrigens bis zum Ende dieser Spielzeit laufen wird, stand, man sollte sie gesehen haben. Weshalb? „Weil diese Inszenierung eine enorme Kraft hat, die sich, über den Abend beständig zunehmend, auf das Publikum überträgt. Das Stück heizt einem wirklich ein.“ Claudius von Stolzmann trägt als Macheath alias Mackie Messer maßgeblich zur Temperatursteigerung bei. Wiewohl ein Verbrecher, fasziniert er. „Generell ist diese Figur ein positiver Bösewicht. Ähnlich wie Robin Hood oder der Joker. Es ist klar, dass er Menschen auf dem Gewissen hat, trotzdem wünschen wir uns, dass er am Ende davonkommt. Er ist charmant, ein Verführer. Und ‚mein‘ Mackie Messer im Speziellen ist sehr athletisch und agil. Das – gepaart mit Musik – ist wahrscheinlich das Rezept, warum es den Leuten gefällt.“
Claudius von Stolzmann wird euphorisch, wenn er seine Figur erklärt. Man kann sich lebhaft vorstellen, wie ihn der Applaus animiert. Ist es die reine Spiellust, weshalb man Schauspieler wird? „Ich wollte als Kind Tierverhaltensforscher werden. Am liebsten wäre ich den ganzen Tag im Dschungel gesessen und hätte beobachtet, wie der schwarze Panther lebt. Und das hat sich, als ich älter geworden bin, auf Menschen ausgeweitet. Ich finde es spannend, wie Menschen miteinander umgehen, was sie motiviert, wie sie agieren, um ihre Ziele zu erreichen; was sie bewegt, was sie vergleichbar macht, was sie voneinander unterscheidet. Das war, glaube ich, der Hauptbeweggrund für diesen Beruf. Will man aber eine Bilderbuchantwort, dann lautet diese: ‚Ich kann mir nichts Schöneres vorstellen, als mich zu verkleiden und dafür bezahlt zu werden ...‘“
Im Jänner soll er in William Shakespeares „Was ihr wollt“ den Orsino geben. Darüber zu reden geht aber nicht, weil auch die Proben dazu verschoben werden mussten und zum Zeitpunkt des Gesprächs noch nicht begonnen hatten. Nur so viel: „Es wird ein sehr ähnliches Ensemble sein wie bei der ‚Dreigroschenoper‘, Torsten Fischer führt erneut Regie, alle Rollen werden von Männern gespielt, bis auf den Narr, den die tolle Maria Bill übernimmt.“ In sie ist er ein bisschen bühnenverliebt.
Western in Wiener Neustadt
Im letzten Jahr hat Claudius von Stolzmann noch den Horrorwestern „A Town Called Purgatory“ abgedreht. Eine amerikanisch-österreichische Koproduktion, in der ein indianischer Skinwalker – „eine Art Schamane, der, wenn er einen Menschen tötet, in dessen Haut fahren kann, um seine Gestalt anzunehmen“ – die Hauptrolle spielt. Er selbst ist Henry Sparks, Bankräuber nach realem Vor- bild. Gedreht wurde in der stillgelegten „No Name City“ bei Wiener Neustadt. Das skurril anmutende Special-Interest-Movie kommt hoffentlich 2022 in die Kinos. Man darf vorerfreut sein.
Zum Abschluss eine Frage, die einfach sein muss: Wie reagieren die Österreicher*innen, die seit geraumer Zeit keine Adelstitel mehr haben, aber besessen sind von ihrer monarchischen Vergangenheit, auf das „von“ in seinem Namen? Claudius von Stolzmann beginnt zu lachen. „Meistens pikiert. Ich bekomme auch belehrende Kommentare, nach dem Motto ‚Du weißt aber schon, dass wir das hier abgeschafft haben?‘. Man wird schnell in die Adelsschublade gesteckt und muss das Klischee dann abarbeiten, was anstrengend sein kann. Viele meinen auch, Claudius von Stolzmann sei aber ein krasser Künstlername. Oida, ich heiße einfach so!“ Das wird noch was mit ihm und Wien. Oida.