Irgendwann kam der Punkt, an dem sich Jacob Suske entscheiden musste: Konzert- oder Theaterbühne? Tourneen mit der experimentierfreudigen Punk-Formation Bonaparte oder lieber die deutschsprachigen Probebühnen erobern? Nach einer kurzen Überlegungsphase fiel die Wahl des studierten Jazz-Bassisten auf Letzteres. „Nachdem die Theaterproduktionen, an denen ich als Musiker beteiligt war, immer größer wurden, musste irgendwann eine Entscheidung her“, so der gebürtige Grazer, der mittlerweile in Antwerpen zu Hause ist. „Ich hatte das Gefühl, dass mich Theaterarbeit auch in 30 Jahren noch interessiert, Tourleben und Rock’n’Roll aber vermutlich nicht mehr in diesem Ausmaß. Daher habe ich mich ziemlich früh für das Theater entschieden“, fügt er lachend hinzu.

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Von Musik und dem Geruch der Kantine umgeben

Woher der Wunsch kam, Theater und Musik zu verbinden? Jacob Suske drückt die „Rev“-Taste und spult zurück: „Ich bin mit Theater aufgewachsen, mein Vater ist Schauspieler (Volkstheater-Ensemblemitglied Stefan Suske, Anm.) und meine Mutter Oboistin (Katharina Suske, Anm.), daher war beides immer präsent. Das Theater hatte von Anfang an eine große Anziehungskraft für mich, weil es ein Raum ist, in dem alles zusammenkommt, was mich interessiert – Musik, Schauspiel, Mode, Psychologie, bildende Kunst und Literatur.“

Während des Musikstudiums in Bern vertonte Suske bereits Texte der Schauspielstudierenden und es entwickelte sich rasch eine Verbindung zur freien Theaterszene. „Während eines Aufenthalts in Berlin habe ich mit einem Trio Straßenmusik gemacht, da sprach mich ein Typ an, ob ich nicht Lust hätte, Musik für ein Theaterstück zu machen. Mit der Verheißung im Hinterkopf, dass da noch mehr kommen könnte, bin ich schließlich nach Berlin gezogen und es ergaben sich relativ schnell einige Theaterprojekte, unter anderem in der Box des Deutschen Theaters“, erinnert sich der Musiker, der unter anderem an der beim diesjährigen Theatertreffen ausgezeichneten Inszenierung „Die Eingeborenen von Maria Blut“ beteiligt war. Mit Lucia Bihler, die den in Vergessenheit geratenen Text von Maria Lazar im Akademietheater auf die Bühne brachte, verbindet Jacob Suske eine langjährige Arbeitsbeziehung.

Prägende Zeit im Schauspielhaus

Eine ihrer ersten gemeinsamen Arbeiten war das Stück „Der grüne Kakadu“ am Schauspielhaus Wien. Dem Theater in der Porzellangasse war Jacob Suske von 2015 bis 2018 als Musiker und Dramaturg eng verbunden. Diese Zeit hätte ihn sehr geprägt, erzählt er im Interview, das der Entfernung zwischen Wien und Antwerpen geschuldet über Zoom stattfindet. „Meine Zeit am Schauspielhaus hat mir stark vor Augen geführt, dass Theater auch anders gedacht werden kann. In diesem kleinen Theater mit flachen Hierarchien und dem klaren Auftrag, junge Dramatik zu fördern, konnte ich wahnsinnig viel entdecken, erleben und ausprobieren. Das Allerschönste daran war jedoch, dass Scheitern erlaubt war. Dass Dinge manchmal nicht klappen, war Teil des Reizes und immer mitgedacht. Die Devise lautete: Lieber mit 100 Kilometern pro Stunde gegen die Wand fahren als mit angezogener Handbremse halbgare Stücke zu produzieren.“

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In der mit einer NESTROY-Nominierung bedachten Produktion „Imperium“, die in der vergangenen Spielzeit als Unplugged-Version nochmals gezeigt wurde, stand Jacob Suske als Musiker auch selbst auf der Bühne. „Es kommt in etwa einmal pro Spielzeit vor, dass ich live spiele“, hält er daran anknüpfend fest.

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Ideen für Kompositionen entstehen nie nach einem bestimmten Prinzip, sondern sind immer von der Herangehensweise des Leading Teams abhängig, sagt Suske. „Mit Lucia Bihler habe ich eine Arbeitsweise gefunden, die für uns gut funktioniert, sich gleichzeitig aber auch nicht totläuft. Aus dem Text heraus suchen wir stets nach einer Assoziation für ein klassisches Musikstück. Von dem gehe ich dann aus.“

Bei „John Gabriel Borkmann“, das Lucia Bihler für das Ibsen-Festival 2022 und in Kooperation mit dem Nationaltheater Oslo inszenierte, war es beispielsweise Franz Liszts „Totentanz“. „Aus dem einfachen Grund, dass Frida dem alten Borkmann immer genau dieses Musikstück vorspielen muss. Das ist natürlich eine Steilvorlage“, bringt es Jacob Suske auf den Punkt und ergänzt: „Jeder Ton, den ich generiert habe, kam in irgendeiner Form aus dem ‚Totentanz‘ heraus. Ich habe unter anderem aus drei Tönen eine Basslinie gebaut oder vier Takte 100-fach verlangsamt und dann daraus Akkorde gebildet, die dann Flächen ergeben haben. Wir suchen immer nach einem Kern, der uns dann auf ziemlich dogmatische Weise das ganze Stück über begleitet.“

Klangräume entwerfen

Bei den „Eingeborenen von Maria Blut“, das auch in der kommenden Spielzeit wieder auf dem Spielplan des Akademietheaters steht, war der Prozess ein wenig offener, erzählt Jacob Suske. „Wir haben viele verschiedene Versionen von ‚Ave Maria‘ verwendet, diese aber so überarbeitet, dass sie nicht mehr klar erkennbar waren. Bei diesem Stück war es außerdem so, dass das Sounddesign und das Atmosphärische große Rollen gespielt haben. Unser Klangkonzept sah vor, dass die Szenen, die man gleich spielt, akustisch und atmosphärisch vorweggenommen werden, in die kurzen Blacks hinein.“

Insgesamt sei es mittlerweile meist so, dass er den Großteil des Probenprozesses begleitet, die Musik teilweise sogar erst vor Ort entwickelt. „Ich bereite zwar immer einiges an Material vor, das sich in den Proben aber erst zur Gänze ausformuliert. Da merke ich erst, welche Kontur die Musik annehmen soll.“

Jacob Suske
Irgendwann kam Jacob Suske zu dem Punkt, an dem er sich zwischen Tourleben und Theatermusik entscheiden musste. Die Wahl fiel auf Letzteres.

Foto: Amandine Monsterlet

Bei der Entwicklung der Musik ist das Bühnenbild sein erster Anspielpartner, erläutert Jacob Suske. „Bühne und Ton ergeben gemeinsam jenen Raum, in dem das Ensemble agiert“, bringt er die Verbindung auf den Punkt. Nach einer kurzen Pause fügt er hinzu: „Räumliche Tiefe hilft sehr, wenn es darum geht, eine Atmosphäre herzustellen. Ist das nicht möglich, liegt der Fokus schnell auf der Musik an sich und ich fühle mich gezwungen, eher musikalisch als atmosphärisch zu denken. Das ist eine andere Ausgangslage, die mir zugegeben etwas schwerer fällt.“ Häufig merkt er erst am Ende der Probenzeit, wenn man schon auf der Bühne probt und sich Klang, Raum und die Energie der Spielenden verbinden, was es wirklich braucht, und was funktioniert. „Wie die Musik im Raum klingt und woher der Klang im besten Fall kommt, loten wir vor allem während dieser Zeit aus.“

Wenige Tage vor unserem Gespräch hat sich Jacob Suske „Oppenheimer“ im Kino angesehen. Ein Film, dessen Soundtrack ihn sehr an sein eigenes Verständnis von Theatermusik erinnert, resümiert er. „Das Entscheidende sind die Leerstellen. Es werden akustische Rampen gebaut, die beispielsweise eine große Explosion ankündigen, aber der entscheidende Moment ist Stille. Man überlässt ihn der Fantasie der Zuschauer*innen. Dieses Vakuum versuche ich auch im Theater zu produzieren.“

An Stellenwert gewonnen

Nach Gesprächen mit Musiker*innen wie Jacob Suske, Clara Luzia, Christian Frank oder Anton Spielmann nimmt ein Gedanke immer stärkere Konturen an: Theatermusik einfach als „Beiwerk“ und damit als Beilage zur Buchstabensuppe des textbasierten Sprechtheaters zu verstehen, greift viel zu kurz. Wie er den Stellenwert von Musik am Theater einschätzt, möchten wir zum Abschluss noch von Jacob Suske wissen. Inszenierungen wie „humanistää!“ im Volkstheater oder „Der Sturm“ im Burgtheater legen schließlich nahe, dass sich dieser immer mehr in Richtung „tonangebend“ verändert.

„Aus meiner persönlichen Betrachtung hat Musik sehr an Stellenwert dazugewonnen, aber ich glaube, dass das auch eine Generationenfrage ist. Die jüngere Generation an Regisseur*innen hat sich sehr in Richtung Interdisziplinarität geöffnet und sucht nach Erzählformen, die über verschiedene Sinne funktionieren. Dadurch, dass Multimedialität an Bedeutung gewonnen hat, gibt es auch für die musikalische Ebene eine erhöhte Wahrnehmung“, fasst er zusammen.

Wie verabschieden uns. Für Jacob Suske geht es jetzt erstmal in den Urlaub nach Portugal. Im Wiener Burgtheater wird er in der kommenden Spielzeit gemeinsam mit Lucia Bihler einen Klangraum für Kafkas „Verwandlung“ erarbeiten. Wir empfehlen, nicht nur mit einem offenen Blick, sondern auch mit gespitzten Ohren in die Vorstellungen zu kommen.