Wiener Staatsoper
Goldberg-Variationen
Online Programmheft (2,50€)
Schlicht Clavier-Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen betitelte Johann Sebastian Bach 1742 seine Goldberg-Variationen – und komponierte ein faszinierendes Kompendium aus Variationen, Kanons und Fugen. 1993 nahm der Schweizer Choreograph Heinz Spoerli die Herausforderung an, Bachs Opus Summum der Klavierliteratur mit dem Tanz zu begegnen – und schuf eines seiner Signatur-Werke: ein aus dem Musizieren mit dem Körper sich aufbauendes Tanzdrama über den Menschen, seine Freuden und Ängste, Einsamkeiten und Lüste, Bindungen und Brüche, die Jugend und das Alter. Goldberg-Variationen entfaltet ein 80-minütiges Panorama des Lebens, dem mit Tabula Rasa zur gleichnamigen Komposition von Arvo Pärt eine Choreographie Ohad Naharins – ebenfalls als Erstaufführung durch das Wiener Staatsballett – gegenübersteht. Die Werke des Israelis sind Liebeserklärungen an den Körper in Bewegungen voller Freiheit, Kraft, Erotik und Wildheit, aber auch Reinheit, Zartheit und Verletzlichkeit. Der Begriff »Tabula Rasa« beschreibt einer antiken philosophischen Vorstellung folgend den Menschen als ein zunächst »unbeschriebenes Blatt«. Auf einem solchen zeichnet Ohad Naharin seine Erforschungen von Ich und Körper als berührende kinetisch-meditative Erfahrungen.
Ohad Naharin ist einer der faszinierendsten Akteure des zeitgenössischen Tanzes, ein Künstler, der die Extreme liebt. 1952 im israelischen Kibbuz Mizra geboren, verließ er im Alter von 24 Jahren seine Heimat und ging auf Einladung der Modern Dance-Ikone Martha Graham nach New York. Er tanzte in Maurice Béjarts Ballet du XXe Siècle und leitete von 1990 bis 2018 die in Tel Aviv ansässige Batsheva Dance Company, für die er mit Gaga eine eigene Bewegungstechnik entwickelte: eine »Wahrnehmungsschule der Sinne«, entstanden aus dem Bedürfnis, auf einer tieferen Ebene mit den Tänzerinnen und Tänzern kommunizieren zu können.
Das Wiener Staatsballett zeigt mit Tabula Rasa ein frühes Werk des Choreographen, 1986 im Auftrag von Patricia Wilde für das Pittsburgh Ballet geschaffen. In einem Plattenladen hatte Ohad Naharin mit der legendären ECM-Aufnahme von Arvo Pärts Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier »eines der erstaunlichsten Musikstücke», die er »je gehört« hat, für sich entdeckt. In der Tat zählt das 1977 für Gidon Kremer komponierte Tabula rasa zu jenen Werken, mit denen sich Pärt nach einem mehrjährigen kompositorischen Schweigen auf Aufsehen erregende Weise aus einer tiefen Schaffens- und Sinnkrise zurückmeldete: Musik wie aus der Zeit gefallen, geboren aus der Kraft der Stille und dem intensiven Studium der Schule von Notre Dame, der klassischen Vokalpolyphonie und des Gregorianischen Chorals. Wie Pärts Musik ist auch Naharins Choreographie ein Werk höchster Konzentration und Reduktion auf das Wesentliche.
Heinz Spoerli formte als Ballettdirektor das Basler Ballett, das Ballett der Deutschen Oper am Rhein sowie zuletzt das Zürcher Ballett zu führenden Compagnien Europas und schuf als Choreograph ein umfangreiches Œuvre. Seine Goldberg-Variationen entstanden 1993 für seine Düsseldorfer Compagnie. Das Wiener Staatsballett zeigt das Werk in einem eigens für Wien neu entworfenen Bühnen- und Kostümdesign.
Vom Musikhören und nicht vom Musikstudieren, also von der eher emotionalen Rezeption statt wissenschaftlicher Analyse, ließ sich Heinz Spoerli in seinem Choreographieren zu Bachs Musik, die in ihren 30 Variationen über eine Aria einen so ausgeprägten Sinn für Struktur und eine geradezu mathematische Architektonik offenbart, inspirieren. Als Clavier-Übung 1741 publiziert und benannt nach Bachs Meisterschüler Johann Gottlieb Goldberg bietet die Komposition Spoerli den idealen Raum zur Entfaltung seiner »weiterentwickelten Neoklassik«: eine virtuose, von feiner Subtilität und Klarheit geprägte Tanzsprache, die nicht den Weg ins Abstrakte sucht, sondern auch ohne konkrete Geschichte etwas zu erzählen vermag. Horst Koegler bezeichnete die Goldberg-Variationen als eines der Werke aus Spoerlis »Bach-Ballettkathedrale«, die in einer Folge von poetischen choreographischen Bildern und Szenen den Menschen und das Leben beschreibt – eine Begegnung, einen Abschied, Vorfreude und Rückblick, Glücklichsein und Trauer. Für mich sind die Goldberg-Variationen wie das Leben, das an uns vorbeizieht«, beschreibt Heinz Spoerli sein Werk. »Es gibt Beziehungen, Verknüpfungen von Paaren, Trennungen, die wieder zu Neutralität führen. Wie im Leben, man lernt Menschen kennen, man distanziert sich wieder. [...] Vielleicht kann ich dieses Aneinandervorbei und Miteinander in diesem Stück ein bisschen erzählen. Ein choreographischer Bogen, der vom Anfang bis zu unserem Ende reicht, soll entstehen.«
Für Pianisten gelten Bachs Goldberg-Variationen als eine der größten Herausforderungen, die ein Interpret antreten kann. Dem Wiener Staatsballett wird bei dieser William Youn zum musikalischen Partner. Der in Seoul geborene, in Boston aufgewachsene, bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover ausgebildete sowie an der Piano Academy Lake Como von Persönlichkeiten wie Dmitri Bashkirov, Andreas Staier, William Grant Nabore und Menahem Pressler geprägte Künstler zählt zu den angesehensten Pianisten seiner Generation.
Schlicht Clavier-Übung bestehend in einer Aria mit verschiedenen Veraenderungen betitelte Johann Sebastian Bach 1742 seine Goldberg-Variationen – und komponierte ein faszinierendes Kompendium aus Variationen, Kanons und Fugen. 1993 nahm der Schweizer Choreograph Heinz Spoerli die Herausforderung an, Bachs Opus Summum der Klavierliteratur mit dem Tanz zu begegnen – und schuf eines seiner Signatur-Werke: ein aus dem Musizieren mit dem Körper sich aufbauendes Tanzdrama über den Menschen, seine Freuden und Ängste, Einsamkeiten und Lüste, Bindungen und Brüche, die Jugend und das Alter. Goldberg-Variationen entfaltet ein 80-minütiges Panorama des Lebens, dem mit Tabula Rasa zur gleichnamigen Komposition von Arvo Pärt eine Choreographie Ohad Naharins – ebenfalls als Erstaufführung durch das Wiener Staatsballett – gegenübersteht. Die Werke des Israelis sind Liebeserklärungen an den Körper in Bewegungen voller Freiheit, Kraft, Erotik und Wildheit, aber auch Reinheit, Zartheit und Verletzlichkeit. Der Begriff »Tabula Rasa« beschreibt einer antiken philosophischen Vorstellung folgend den Menschen als ein zunächst »unbeschriebenes Blatt«. Auf einem solchen zeichnet Ohad Naharin seine Erforschungen von Ich und Körper als berührende kinetisch-meditative Erfahrungen.
Ohad Naharin ist einer der faszinierendsten Akteure des zeitgenössischen Tanzes, ein Künstler, der die Extreme liebt. 1952 im israelischen Kibbuz Mizra geboren, verließ er im Alter von 24 Jahren seine Heimat und ging auf Einladung der Modern Dance-Ikone Martha Graham nach New York. Er tanzte in Maurice Béjarts Ballet du XXe Siècle und leitete von 1990 bis 2018 die in Tel Aviv ansässige Batsheva Dance Company, für die er mit Gaga eine eigene Bewegungstechnik entwickelte: eine »Wahrnehmungsschule der Sinne«, entstanden aus dem Bedürfnis, auf einer tieferen Ebene mit den Tänzerinnen und Tänzern kommunizieren zu können.
Das Wiener Staatsballett zeigt mit Tabula Rasa ein frühes Werk des Choreographen, 1986 im Auftrag von Patricia Wilde für das Pittsburgh Ballet geschaffen. In einem Plattenladen hatte Ohad Naharin mit der legendären ECM-Aufnahme von Arvo Pärts Doppelkonzert für zwei Violinen, Streichorchester und präpariertes Klavier »eines der erstaunlichsten Musikstücke», die er »je gehört« hat, für sich entdeckt. In der Tat zählt das 1977 für Gidon Kremer komponierte Tabula rasa zu jenen Werken, mit denen sich Pärt nach einem mehrjährigen kompositorischen Schweigen auf Aufsehen erregende Weise aus einer tiefen Schaffens- und Sinnkrise zurückmeldete: Musik wie aus der Zeit gefallen, geboren aus der Kraft der Stille und dem intensiven Studium der Schule von Notre Dame, der klassischen Vokalpolyphonie und des Gregorianischen Chorals. Wie Pärts Musik ist auch Naharins Choreographie ein Werk höchster Konzentration und Reduktion auf das Wesentliche.
Heinz Spoerli formte als Ballettdirektor das Basler Ballett, das Ballett der Deutschen Oper am Rhein sowie zuletzt das Zürcher Ballett zu führenden Compagnien Europas und schuf als Choreograph ein umfangreiches Œuvre. Seine Goldberg-Variationen entstanden 1993 für seine Düsseldorfer Compagnie. Das Wiener Staatsballett zeigt das Werk in einem eigens für Wien neu entworfenen Bühnen- und Kostümdesign.
Vom Musikhören und nicht vom Musikstudieren, also von der eher emotionalen Rezeption statt wissenschaftlicher Analyse, ließ sich Heinz Spoerli in seinem Choreographieren zu Bachs Musik, die in ihren 30 Variationen über eine Aria einen so ausgeprägten Sinn für Struktur und eine geradezu mathematische Architektonik offenbart, inspirieren. Als Clavier-Übung 1741 publiziert und benannt nach Bachs Meisterschüler Johann Gottlieb Goldberg bietet die Komposition Spoerli den idealen Raum zur Entfaltung seiner »weiterentwickelten Neoklassik«: eine virtuose, von feiner Subtilität und Klarheit geprägte Tanzsprache, die nicht den Weg ins Abstrakte sucht, sondern auch ohne konkrete Geschichte etwas zu erzählen vermag. Horst Koegler bezeichnete die Goldberg-Variationen als eines der Werke aus Spoerlis »Bach-Ballettkathedrale«, die in einer Folge von poetischen choreographischen Bildern und Szenen den Menschen und das Leben beschreibt – eine Begegnung, einen Abschied, Vorfreude und Rückblick, Glücklichsein und Trauer. Für mich sind die Goldberg-Variationen wie das Leben, das an uns vorbeizieht«, beschreibt Heinz Spoerli sein Werk. »Es gibt Beziehungen, Verknüpfungen von Paaren, Trennungen, die wieder zu Neutralität führen. Wie im Leben, man lernt Menschen kennen, man distanziert sich wieder. [...] Vielleicht kann ich dieses Aneinandervorbei und Miteinander in diesem Stück ein bisschen erzählen. Ein choreographischer Bogen, der vom Anfang bis zu unserem Ende reicht, soll entstehen.«
Für Pianisten gelten Bachs Goldberg-Variationen als eine der größten Herausforderungen, die ein Interpret antreten kann. Dem Wiener Staatsballett wird bei dieser William Youn zum musikalischen Partner. Der in Seoul geborene, in Boston aufgewachsene, bei Karl-Heinz Kämmerling in Hannover ausgebildete sowie an der Piano Academy Lake Como von Persönlichkeiten wie Dmitri Bashkirov, Andreas Staier, William Grant Nabore und Menahem Pressler geprägte Künstler zählt zu den angesehensten Pianisten seiner Generation.
SchauspielerInnen
- Tänzerinnen
- Sonia Dvořák
- Sveva Gargiulo
- Adi Hanan
- Helen Clare Kinney
- Chiara Uderzo
- Tänzer
- Jackson Carroll
- Lourenço Ferreira
- Andrés Garcia Torres
- Hanno Opperman
- Duccio Tariello
- Violinen
- Volkhard Steude
- Raimund Lissy
- Klavier
- Asmir Jakupovic
- William Youn
- Solistinnen
- Olga Esina
- Liudmila Konovalova
- Claudine Schoch
- Elena Bottaro
- Aleksandra Liashenko
- Solisten
- Davide Dato
- Masayu Kimoto
- Marcos Menha
- Alexey Popov
- Timoor Afshar
- Arne Vandervelde
- Tomoaki Nakanome
- Zsolt Török
- Junnosuke Nakamura
Künstlerisches Team
- Musikalische Leitung
- Gerrit Prießnitz
- Musik
- Arvo Pärt
- Johann Sebastian Bach
- Choreographie, Bühne & Licht
- Ohad Naharin
- Kostüme
- Eri Nakamura
- Einstudierung
- Matan David
- Arman Grigoryan
- Chris Jensen
- Choreographie und Kostüme
- Heinz Spoerli
- Bühne
- Florian Etti
- Licht
- Robert Eisenstein