Schwierig. Es ist schwierig, als Geringbegabter einen Vielbegabten zu treffen. So ehrlich muss man seinem Neid gegenüber schon sein. Alexander Strömer ist so ein Vielkönner: Derzeit spielt er in sieben Produktionen in der Josefstadt. Vergangenes Jahr wurde er in Offenbachs „La Périchole“ als Don Andrés de Ribeira (Gesangsrolle) von der Kritik gefeiert.

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Wie macht er das bloß? Ein Gespräch.

Grundsätzlich: Sind Ihnen Menschen sympathisch?

Eindeutig ja. Wiewohl es den Anschein hat, dass Schauspieler im Rampenlicht stehen, ist unser Beruf ja ein Teamberuf. Die Menschen abseits und hinter der Bühne, die eine Vorstellung erst ermöglichen, bekommen sehr bald mit, wie man drauf ist. Und ob man mit Antipathie oder Geringschätzung gegenüber Menschen behaftet ist. Außerdem: Je älter ich werde, desto mehr ruhe ich in mir, desto interessierter bin ich auch an Menschen, die dem ersten Urteil nach nicht so auf meiner Wellenlänge liegen. Übrigens: Auch Rollen, die mir aufs Erste nicht so sympathisch sind, mache ich mir zu eigen, indem ich mich auf die Details konzentriere, denen ich etwas abgewinnen kann.

Was sollten zwei Schauspieler idealerweise auf der Bühne miteinander tun?

Einander wahrnehmen. Das Publikum vergessen, damit sie sich ohne Gefallsucht aufeinander einlassen können. Eine der schwierigsten Übungen.

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Was sollten zwei Sänger idealerweise auf der Bühne nicht miteinander tun?

Sich ja nicht gegen den Dirigenten verschwören.

Kann jeder Mensch Schauspieler*in werden?

Ein Stück weit ist es ja bereits jeder. Die Schauspielerei ist ein „Überlebenstool“ im Rahmen der Sozialisierung eines Menschen. Es gehören aber viele Faktoren dazu, die man einfach mitbringen muss, um nicht nur professioneller Schauspieler, sondern auch Menschendarsteller zu sein.

Kann jeder Mensch Sänger*in werden?

Einige Gesangspädagogen sind der Meinung, dass jeder Mensch singen bzw. singen lernen kann. Das mag sein, aber auch hier ist die Zutatenliste zum professionellen Sänger so dermaßen komplex, dass ich es bezweifle.

Verdanken Sie irgendeiner Rolle etwas?

Jeder. Und wenn es einfach ganz persönliche Einsichten sind, die meiner Persönlichkeitsentwicklung etwas abverlangten.

Warum haben Sie eine Gesangsausbildung gemacht?

Mich hat damals als junger Schauspieler schon vieles gewundert. So habe ich bemerkt, dass einige Kollegen ganz ausnehmend gute Sprechstimmen besaßen und andere nicht. Ich erkannte schnell, dass es nicht nur Veranlagung sein konnte, sondern mit Technik zu tun haben musste, und machte mich auf die Suche nach dem Geheimnis. Recht bald fiel ich auch den richtigen Pädagogen in die Hände ... Aber es ging noch weiter: Bei einer Burgtheaterproduktion lernte ich einen Bassisten kennen, der mich mit seinem Lehrer, einem kraftvollen dramatischen Tenor, bekannt machte. Bei ihm durfte ich so vieles lernen, was weit über das Rüstzeug eines Sängers hinausgeht.

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Ich habe nicht vor, auf der Bühne zu sterben, aber vielleicht muss ich es.

Alexander Strömer über die Pension

Was kann Gesang auslösen, was das Sprechen nicht kann?

Musik geht viel tiefer als das bloß gesprochene Wort. Sie berührt uns, wenn sie dies tut, tief in unserer Seele. Im weitesten Sinne ist aber Sprache – auch Bühnensprache – eines: nämlich Klang und demnach eine Form der Musik. Ich meine damit jetzt nicht den bloßen Singsang in der Modulation, aber eine gewisse musikalisch-emotionale Stimmführung. Sie ist am heutigen Theater verpönt. Es soll alles möglichst realistisch sein; man nennt es „natürlich“ – sagen wir im schlechtesten Sinn „platt“, „vernuschelt“ – und „echt“. Was immer das sein soll. Für mich wird es dadurch aber nur eines: uninteressant.

Haben Sie schon einmal während des Singens vor Rührung geweint?

Da beim Singen so viele Körperprozesse und auch Psychisch-Geistiges beteiligt sind, kann das schon mal vorkommen.

Wie bekommt man Menschen leichter rum, mit Singen oder Rezitieren von Texten?

Wer kennt nicht „Man müsste Klavierspielen können“? Mit Musik geht es sicherlich immer besser, also auch mit Gesang.

Reagiert Ihr Körper auf Singen anders als auf eine Sprechrolle?

Ich bereite mich auch auf die kleinste Sprechrolle mit gesangstechnischen Übungen vor. Unser Instrument Körper steckt ja in einem noch größeren Instrument, dem Bühnenraum. Der „Ferrari im Inneren“ wird also gestartet. Drehzahl und Geschwindigkeit werden dann den Anforderungen angepasst.

War das jetzt die dümmste Frage, die Ihnen je gestellt wurde?

Nein.

Welche war es?

Es war vielmehr eine Feststellung: „Du bist noch so jung, du hast noch Zeit.“ Mit dieser Schmeichelei aufgrund meines jünger wirkenden Aussehens wollte man mich lange Zeit von ernst zu nehmenden, großen Rollen fernhalten. Aber: „Des geht jetzt nimma eine“, auf gut Wienerisch.

Wonach suchen Sie als Schauspieler?

Nach dem Glaubhaften, nach Vielseitigkeit, Wandelbarkeit, Ehrlichkeit. Im Reinhardt’schen Sinn nach „Enthüllung, nicht Verstellung“. Und nach einem tieferen Sinn des Menschseins.

Wonach suchen Sie als Sänger?

Das Singen ist meine Art der allumfassenden Ausdrucksmöglichkeit, der Transzendenz durch Schwingung. Mein ganz persönliches Kung-Fu. Etwas ganz Außergewöhnliches. Es vereint eine Körperübung mit Gedanken- und Vorstellungskraft und fördert infolgedessen gleichsam die Entwicklung eines zusätzlichen, sechsten Körpersinns. Der Ton strebt nach Ausdehnung, er strebt ins Universelle, in die unvorstellbare Größe ...

Das schönste Kompliment, das man Ihrer Stimme je gemacht hat?

Als noch junger Sprecher – obwohl ich Vergleiche im Allgemeinen nicht so mag, aber sie helfen eben, vieles kurz zu fassen – wurde ich einmal als „junger Ernst Meister“ bezeichnet. (Ernst Meister war zu seinen Lebzeiten der Inbegriff des guten Sprechers. „The Voice“ sozusagen; Anm.) Gesanglich: „Dein Tonumfang, deine Stimme, dein ‚Umschalten‘ von reinem Ge- sang ins Sprechen, das ist schwer, habe ich selten so erlebt“ ... aus berufenem Opernfach-Munde. Das könnte auch mein Alleinstellungsmerkmal werden.

Sie spielen derzeit in sieben Stücken an der Josefstadt – gibt es eine Rolle, die Sie besonders lieben?

Ich hatte die Gelegenheit, mich so oft wirklich zu verwandeln. Beispielsweise spiele ich in der „Dreigroschenoper“ neben dem Ganoven Trauerweiden-Walter eine Hure, eine kleine Rolle, die mir aber wieder die Gelegenheit brachte, die Maria in „Was ihr wollt“ zu spielen. Ich erwähne diese Rollen, weil sie mir als Mann so fernlagen und ich aber so vieles, auch gerade über Frauen und das Weibliche, durch die Rollenarbeit gelernt habe und weil die Gefahr besteht, solche Rollen gering zu schätzen, weil sie im ersteren Fall klein sind und im Falle der Maria vielleicht als „nichts Seriöses“ abgetan werden könnten. Einige Kolleginnen, darunter eine großartige Film- und Fernsehschauspielerin, haben mir dafür den Nestroy-Preis gewünscht. Das hat mich gefreut.

Das Singen ist mein ganz persönliches Kung-Fu.

Alexander Strömer über das Suchen

Wer ist lustiger: Gesangskolleg*innen oder Schauspielkolleg*innen?

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass es die Sänger und Sängerinnen sind. Die Musik gibt ihnen so etwas Leichtes, Luftiges. Bei Schauspielern geht es oft ins Intellektuelle oder, wenn es zu viel wird, gar ins Düstere.

Haben Sie während einer Aufführung schon mal den Text vergessen?

Kommt, wenn auch selten, vor. Wenn man aber den Text nicht nur mit dem Hirn, sondern mit dem Körper- und dem emotionalen Gedächtnis lernt, geschieht es erstens seltener, und zweitens fällt man nicht ins Leere vor Schreck, sondern kann sich sogar im besten Fall selbst retten.

Während einer Aufführung schon mal umgekippt?

Beinahe. Der schlimmste Albtraum. Zum Glück nicht an der Josefstadt, hier haben wir ja eine großartige Teammentalität, was das Füreinander-in-die-Bresche-Springen, das Füreinander-Einspringen betrifft. Ich hatte damals Fieber, Magen-Darm- Infekt, und dennoch die Vorstellung gespielt, ohne dass die Zuseher auch nur irgendetwas merkten ... Man glaubt nicht, wie viel Unkontrollierbares man im Extremfall kontrollieren kann! Damit sei das Thema abgehakt, den Rest will ich Ihnen ersparen.

Welche Rollen würden Sie gerne noch einmal spielen?

Möglicherweise den Titus Feuerfuchs in Nestroys „Talisman“. Den habe ich am Tiroler Landestheater mit 25 Jahren gespielt. Es gibt viele prominente Vorbilder, die auch im vorgerückten Alter diese Rolle spielten: Helmuth Lohner, Karl Paryla und andere ... Immerhin bin ich kein junger Bursch mehr. Aber hier käme mir vielleicht das etwas jüngere Aussehen entgegen ... Ich müsste jetzt nur die eigenen grauen Haare gegen rote tauschen (lacht).

In welchem Beruf würden Sie gerne in Pension gehen: als Schauspieler oder als Sänger?

Es fragt sich, ob es für mich und meine Familie je eine ausreichende Pension geben wird. Aber ich habe noch einige Jahre Dienst vor mir. Jedenfalls, um das Ganze mit Humor zu betrachten: Viele Theaterurgesteine haben ausgerufen: „Ich will auf der Bühne sterben!“ Ich habe das beileibe nicht vor, aber vielleicht muss ich es sogar? Spielen bis zum Umfallen!

Alexander Strömer in der Josefstadt - die Spieltermine:

Der Bockerer“, „Der Himbeerpflücker“, „Der Wald“, „Die Dreigroschenoper“, „Es muss geschieden sein“, „Gott“, „Was ihr wollt