Die Fellner Lesung: Infotainment auf der Theaterbühne
Die österreichische Realität als absurdes Theaterstück: „Die Fellner Lesung" nimmt Wolfgang Fellners Boulevard-Universum unter die Lupe. Wir haben mit Regisseur Felix Hafner gesprochen.
BÜHNE: Ganz an den Anfang zurückgespult – gab es eine Art von Initialzündung, die dieses Projekt ins Rollen gebracht hat?
Felix Hafner: Die Initialzündung für das Projekt war das Fellner-Bambi Interview, das damals viral gegangen ist. Im Team haben wir die Stermann/Grissemann-Parodie angeschaut, mit dem Original verglichen und gemerkt, dass dieses absurde und problematische Stück TV nicht mehr zu parodieren ist. Man kann es eigentlich nicht mehr übertreiben. Ich hatte zu dem Zeitpunkt schon immer wieder mit Originaltexten experimentiert – es gab zum Beispiel eine Lesung vom Germany's Next Topmodel-Finale am Volkstheater – und so kamen wir auf die Idee, die Fellner-Interviews exakt zu transkribieren, um sie mit Schauspieler:innen als Theatertext zu lesen.
Wir wollen Infotainment fürs Theater machen."
Felix Hafner
Wie hat sich die Fellner Lesung seit ihren Anfängen entwickelt?
Wir haben das Format zunächst als sehr spontanes, Theater-Guerilla-Projekt auf die Bühne gebracht – wir haben zu dem Zeitpunkt der Lesung spontan und aktuell die jüngsten Ereignisse und Interviews transkribiert und gelesen. Da haben wir uns mit dem letzten Nationalratswahlkampf als auch der Causa Ibiza beschäftigt. Rechercheparts zu Fellner und dem Boulevard waren immer mit dabei, wurden aber immer wichtiger. In unserer aktuellen Produktion „Anleitung zum Fellnerismus" wollten wir nun Wolfgang Fellner selbst und sein System in den Mittelpunkt stellen. Wir nehmen seine Strategien und Techniken unter die Lupe, mit exemplarischen Interviews und Recherchetexte, in denen wir uns auf Gespräche mit Ex-Mitarbeiter:innen und Medienexpert:innen beziehen, die wir für die Produktion geführt haben. Wir wollen Infotainment fürs Theater machen – einen Abend über Boulevardjournalismus, der sowohl Spaß macht als auch Zusammenhänge und Informationen transportiert.
Wurstsemmel und Almdudler
Welche Rolle spielen die aktuellsten Entwicklungen rund um Wolfgang Fellner?
Wir haben die jüngsten Vorwürfe der sexuellen Belästigung gegen Wolfgang Fellner auch in unseren Theaterabend eingebaut. Wir stellen die Aussagen der Ex-Mitarbeiter:innen Interviews von Fellner gegenüber. Im Gespräch mit Nina „Bambi" Bruckner oder der Moderatorin Nadine Friedrich wird deutlich, dass Fellners Übergriffigkeit und Sexismus System hat. Wir wollen klarmachen: All diese Dinge hat er tatsächlich gesagt, on air, im höchst geförderten Privat-TV-Sender Österreichs.
Wenn es ohne Spoiler geht: Größter Überraschungsmoment während der Recherche?
Das spannendste Gespräch in der Recherche war vermutlich jenes mit Ex-Bundeskanzler Christian Kern, der uns detailliert die Abhängigkeiten und Druckmechanismen zwischen Boulevard und der Politik geschildert hat. Seine Aussagen dazu sind auch wichtiger Bestandteil der „Fellner Lesung". Ansonsten gab es auch sehr viel absurde und kuriose Hintergrundgeschichten, die wir erfahren haben. Zum Beispiel soll nach Fellners regelmäßigen cholerischen Auszuckern ein gängiges Mittel zur Beruhigung eine Wurstsemmel und Almdudler sein. Diesen Moment zitieren wir auch in unserem Programm.
„Der Fall Julia K. - Ein Stück True Crime" ist ab Herbst im Volkstheater zu sehen. Was reizt dich an diesem Format besonders?
Der Hype um True Crime, den man in den letzten Jahren beobachten konnte, ist tatsächlich faszinierend, und bei manchem Output auch problematisch. Zum Beispiel in der Hinsicht wie Kriminalgeschichten erzählt und geframed werden, aber auch wie Vorgänge bezeichnet werden. Wir wollen das Prinzip True Crime am Theater erforschen und auch hinterfragen. Am Fall „Julia K." recherchieren wir im Kollektiv (Institut für Medien, Politik und Theater) bereits seit zwei Jahren und haben Einsicht in den gesamten Strafakt bekommen.
Wie würdest du eure Herangehensweise an das Stück beschreiben?
Es gibt sehr viele Fragezeichen und Leerstellen zu diesem Fall, sowohl in der Ermittlung als auch im Prozess - genau deswegen wollen wir den Fall mit unseren theatralen Mitteln zur Diskussion stellen. Im Gegensatz zu vielen True Crime-Stories soll es in unserem Stück weniger um persönliche Schicksale und Monströsitäten gehen, sondern eine analytische Spurensuche der Leerstellen stattfinden, die vielleicht auch mehr über Österreich und die Systeme dahinter erzählt. Wie kam es dazu, dass jemand für Mord ohne Todesursache verurteilt werden konnte? Solchen Fragen werden wir uns widmen.
Zur Person: Felix Hafner
Felix Hafner studierte Schauspielregie am Max Reinhardt Seminar und arbeitet seitdem als freischaffender Regisseur. Inszenierungen führten ihn bisher ans Volkstheater Wien, Landestheater Niederösterreich, Tiroler Landestheater und ans Münchner Volkstheater. Mit dem Kollektiv „Institut für Medien, Politik und Theater" arbeitet er interdisziplinär zwischen Journalismus und Theater.
Termine
7. / 8. August – Kultursommer Wien
14. / 15. August – Hin & Weg Theaterfestival in Litschau
13. September – Rote Bar, Volkstheater Wien
Weiterlesen