Pelz und Puderzucker: Isabella Sedlak bringt den Krampus auf die Bühne
Noch dauert es ein bisschen, bis die alljährlichen Krampusläufe wieder stattfinden. Am Maxim Gorki Theater dient Regisseurin Isabella Sedlak die Krampusfigur als Schablone.
BÜHNE: Gab es eine Form von Initialzündung für „Krampus: Pelz und Puderzucker“?
Isabella Sedlak: Ich wurde von der Leitung des Maxim Gorki Theaters gefragt, ob ich mir vorstellen könnte, ein Stück mit österreichischem Schwerpunkt zu machen. Auf der Suche nach einem Symbol ist dann der Krampus aufgetaucht, den man einerseits belächeln und als altbackene Tradition wahrnehmen kann, in dem aber auch sehr viel Brutales und Gewaltvolles steckt. Wir haben uns gefragt, was es bedeutet, wenn solche Bräuche immer noch existieren und wer diese aufrechterhält.
Welche Rolle haben deine persönliche Erfahrungen mit der Thematik gespielt?
Ich habe während der Recherchephase meinen Kolleg:innen viel über diesen Brauch erzählt und auch mit alten Freund:innen darüber gesprochen, um auch ein paar Anekdoten reinzubringen. Letztendlich haben wir aber begonnen, den Krampus eher als Schablone zu betrachten. Unter anderem zur Annäherung an die Frage, was es bedeutet, wenn man einmal die Chance hat, all die Dinge rauszulassen, die den Rest des Jahres in einem schlummern. Wir haben uns mit dem scheinbaren Versprechen auseinandergesetzt, dass dann Ruhe und Zufriedenheit auf einen warten. In diesem Zusammenhang haben wir auch sehr viel über Emotionen, vor allem über unterdrückte Emotionen, gesprochen. Deutlich mehr als über tatsächliche Erfahrungen mit dem Krampus. Das war eigentlich nur der Einstieg.
Wie habt ihr euch dem Thema der unterdrückten Emotionen genau angenähert?
In unserer Runde, die in der ersten Phase der Stückentwicklung nur aus Frauen bestand, haben wir uns die Frage gestellt, inwiefern Wut als Machtinstrument funktioniert, wie wir mit unserer eigenen Wut umgehen und wie unsere Umgebung darauf reagiert, wenn wir ihr Raum geben. Dabei ging es auch viel um passiv-aggressives Verhalten, das ja tief in der österreichischen Gesellschaft verwurzelt ist. Darüber hinaus haben wir aber auch über Wut als Motor gesprochen, als Form des inneren Antriebs.
Raum für Ausdrucksmöglichkeiten
„Krampus: Pelz und Puderzucker“ ist eine Stückentwicklung. Wie war die Probenarbeit?
Wir hatten zu Beginn eine lange Recherchephase, in der wir viel geredet, aufgenommen und transkribiert haben. Im Sommer habe ich einen ersten Textentwurf geschrieben und nach der Sommerpause haben wir das Material gemeinsam überprüft, teilweise nochmals umgeschichtet, umgeschrieben und schließlich damit zu proben begonnen. Mir war wichtig, dass es nicht in eine autobiografische Richtung geht, die Leute also nicht sich selbst verkörpern, sondern jede und jeder eine Figur hat und mit dieser eine bestimmte Perspektive auf dieses Thema repräsentiert.
Was ist dir in der Zusammenarbeit mit dem Team besonders wichtig?
Schön finde ich, wenn es keine homogene Gruppe ist, die eine gemeinsame Stimme vertritt, sondern jede und jeder die Möglichkeit hat, sich selbst auszudrücken. Meine Aufgabe ist dann, das zusammenzubringen und Fläche und Raum für diese Ausdrucksmöglichkeiten bereitzustellen. Das ist die große Herausforderung, aber auch das Ziel – dass alle in ihren eigenen Farben schillern können und man dabei das Gemeinsame nicht aus den Augen verliert.
Ganz an den Anfang zurückgespult: Wie bist du zum Theater gekommen?
Über viele Umwege (lacht). Vor ungefähr acht Jahren, also erst nach meinem Umzug von Wien nach Berlin, habe ich an Stadttheatern zu arbeiten begonnen. Davor habe ich u.a. in sozialen Einrichtungen gearbeitet, habe in Wien das feministische Mädchencafé „Flash“ mitaufgebaut und irgendwann auch mal ein ganz anderes Studium abgeschlossen, nämlich Internationale Betriebswirtschaftslehre. In Berlin ging es dann sehr schnell von Hospitanz zu Assistenzen und schließlich zu einer Festanstellung am Gorki. Nun meine eigene Produktion am Gorki machen zu können, ist definitiv ein schöner Schritt auf diesem Weg.
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Zwischen Wien und Berlin
Was vermisst du an Wien?
Wien hat schon etwas sehr Gemütliches. Das ist zwar ein typisches Klischeé, aber mit ein bisschen Abstand finde ich es auch zutreffend. Wenn ich hier in Wien bin, finde ich das also immer total entspannend. Während der Lockdowns habe ich mich öfters hierher gewünscht, weil mir in Berlin zu viel los war. Mittlerweile versuche ich, meine Zeit zwischen Wien und Berlin wieder aufzuteilen.
Du bist schon seit mehreren Jahren eng mit dem Maxim Gorki Theater verbunden. Was schätzt du an diesem Haus besonders?
Das diverse Ensemble, in dem viele verschiedene Stimmen zu Wort kommen und ihren Platz haben. Und die tollen, engagierten Leute, die man quer durch alle Abteilungen finden kann. Die Menschen, die ich an diesem Theater kennengelernt habe, sind definitiv eine große Bereicherung für mein Leben.
Am 3. und 11. Dezember ist das Stück wieder am Maxim Gorki Theater in Berlin zu sehen.
Zur Person: Isabella Sedlak
Isabella Sedlak wurde 1981 in Österreich geboren. Sie studierte Theater- Film- und Medienwissenschaften sowie Wirtschaftswissenschaften in Wien und Southampton. Sie assistierte am Deutschen Theater Berlin und als feste Assistentin am Maxim Gorki Theater. Im Juni 2019 wurde ihre Inszenierung von Dino Pešuts Stück „Lebensmenschen" mit dem Jurypreis des Nachwuchswettbewerbs 2019 des Theaters Drachengasse in Wien ausgezeichnet.