Es ist der vielleicht spektakulärste Moment der Theatergeschichte, wenn die Hubschrauber auf dem Dach der amerikanischen Botschaft in Saigon landen. Sie sollen die letzten G.I.s aus der gefallenen Stadt evakuieren, zumal die Amerikaner den Viet­nam­krieg verloren haben. Wer bleibt, stirbt. 

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Es ist aber auch einer der herz­zer­reißendsten Momente im Musical, denn im Getümmel verliert der Soldat Chris seine Geliebte Kim: Ihm gelingt die Flucht, sie fällt zurück. Damit beginnt Kims Odyssee. Und sie setzt Ereignisse in Gang, die weit über das Schicksal der beiden Liebenden hinausgehen …

„Miss Saigon“, das ist ganz ­große Oper, aufsehenerregend verpackt in eine Pop-Partitur – und das ist nur einer der Gründe, warum das Stück der Musical-verliebten Metropole Wien gut zu Gesicht steht. Hier sind die anderen:

1. Erfolg in Zahlen

Es braucht schon einiges, um zu den ­legendären „Big Four“ des zeitgenössischen Musicals gerechnet zu werden, also zu denen, die eine Demarkationslinie in der Zeit ziehen: Ab hier ändert sich unser Verständnis dafür, was das Genre leisten kann, was seine Erfolgsparameter bedeuten. In jedem Fall scheint es zu helfen, wenn man aus der Schmiede von Impresario Cameron Mackintosh stammt – das haben nämlich alle vier gemeinsam: „Cats“ (1981), „Les Misérables“ (1985), „Phantom der Oper“ (1986), „Miss Saigon“ (1989).

Obwohl jüngster Zugang, ist „Miss Saigon“ bereits in die A-Liga angekommen:  gespielt in 32 Ländern (369 Städten), übersetzt in 15 Sprachen (u. a. Tschechisch, Finnisch und Koreanisch), gesehen von über 36 Millionen Zusehern weltweit. Dazu über 70 Theater-Preise, darunter drei Tony Awards für die Original-Inszenierung und immerhin zwei Tony-Nominierungen für das Broadway Revival 2017. 

Einziger Wermutstropfen: Im Ge­gensatz zu den drei anderen Musicals war „Miss Saigon“ noch nie in Wien zu sehen. Ab Jänner 2021 ändert sich das.

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2. Groß, größer, „Miss Saigon“

Warum erst jetzt? „Weil es nicht so einfach ist“, erklärt VBW-Intendant Christian Struppeck. „Wir wollten es schon lange machen, es gab auch viel Nach­frage seitens unseres Publikums, aber es ist einfach wirklich groß: großer Cast, großes Orchester, großes Bühnenbild; alles ist größer als sonst!“

Da wäre etwa – wie eingangs erwähnt – die außergewöhnliche Sache mit dem Hubschrauber. Wer praktisch nichts über das Stück weiß, der weiß zumindest das: Miss Saigon ist das „Musi­cal mit dem Hubschrauber“. Struppeck: „Der Kronleuchter in ‚Phantom der Oper‘ und dieser Hub­schrauber sind Synonyme für den Spek­takel-­Aspekt des modernen Musicals. Das ist technisch eine große Her­ausforderung – aber dafür ist es auch wirklich verblüffend.“

Auch nicht ganz einfach zu erfüllen, aber im Grunde selbstverständlich, war die Vorgabe der Authentizität. Soll heißen: Alle asiatischen Rollen wurden am Ende tatsächlich mit asiatischen Darstellern besetzt. „Das macht auch das Flair des Stückes aus. Nur: Man muss diesen Cast erst einmal finden.“ Das Ergebnis ist dafür beeindruckend: „Unsere Besetzung kommt aus 19 Nationen“, sagt der Intendant nicht ohne Stolz. „Wir sind ja immer sehr international – aber so international sind wir selten!

3. Wien, Wien, nur du allein …

Ein Stück wie „Miss Saigon“ auf die Bühne zu bringen ist also Mutprobe und Kraftakt gleichermaßen. Und es ist ein ungeheurer Vertrauensbeweis seitens der Lizenzgeber, denn – so sagt Struppeck mit durchaus berechtigter Gastgeber-Euphorie: „Das bekommt auch nicht jeder!“ Da gibt es Aufführungsrechte, um die man sich bewerben muss, es sei – anders als bei der Oper – großer Konkurrenzdruck am Markt. Gerade erfolgreiche Stücke hätten alle gerne. Aber Cameron Mackintosh arbeitet eben nur mit Partnern, denen er die Umsetzung künstlerisch und kreativ zutraut. „Das Geld hat er nicht nötig“, sagt Struppeck. 

4. Alles neu im alten Haus

Und: Wann, wenn nicht jetzt? Wo, wenn nicht hier? Das Raimund Theater ist ein schönes Haus, aber es hat auch schon bessere Tage gesehen. Eine Renovierung war dringend nötig (außerdem gab es immer schon, so ehrlich muss man sein, zu wenig Klos und zu viel Gedränge an der Garderobe). Jetzt wird alles anders. 

„Das Raimund Theater wird einem Theatererlebnis entsprechen, wie man es 2021 erwarten kann. Und ‚Miss Saigon‘ war dafür das perfekte Stück.“ 

Ein Stück, das zeigt, was sie so draufhat, die frisch renovierte Spielstätte nahe der Gumpendorfer Straße. Und auch ein Stück, bei dem sich das Orchester der Vereinigten Bühnen Wien so richtig austoben kann. Weil die Musikstadt Wien nun einmal sehr gute Musiker zu bieten hat. Bei einer orchestral ohnedies opulenten Partitur wie dieser darf man also gespannt sein.

5. Last, but not least: Taschentuch-Alarm!

Womit „Miss Saigon“ letztlich wirklich überzeugt, ist die zeitlose, berührende Geschichte. Eine Lovestory, die eine ganz große, aber so gar nicht verkitschte ist. 

„Ich mag das, wenn im Musical ernst­hafte Themen auch ernsthaft abgehandelt werden“, sagt der Intendant, „Mit einer fast filmischen Realität. Mit Dia­logen, die man auch sprechen könnte, weil sie so authentisch sind – es ist eigentlich ein gesungenes Theaterstück.“

Und dann gibt es noch diese Momente, wo das ganze Publikum unisono schluchzt. Weil … ach, sehen Sie sich’s doch einfach selbst an! 

Miss Saigon in 5 Sätzen

1. Musical von Claude-Michel Schönberg und Alain Boublil, die bereits mit
„Les Misérables“ einen Welthit
­verbuchen konnten.

2. Sehr frei basierend auf dem Stoff von ­„Madama Butterfly“.
3. Die Story erzählt von der Liebe des ­vietnamesischen Barmädchens Kim zum amerikanischen G. I. Chris in den letzten Tagen des Vietnamkrieges.
4. In Wien werden diese Rollen von Newcomerin Vanessa Heinz, 22, und dem niederländischen Musicalstar Oedo Kuipers, 30, ­gespielt.
5. Seit der Uraufführung in London 1989 entwickelte sich „Miss Saigon“ zu einem der erfolg­­reichsten Musicals überhaupt.

Termin

„Miss Saigon"
ab 28. Jänner 2021, 19.30 Uhr im Raimund Theater in Wien
musicalvienna.at