Wir befinden uns in der Zukunft. Die ökologische Krise hat sich so sehr zugespitzt, dass es keine andere Möglichkeit mehr gibt, als radikal zu verzichten. Andernfalls – wenn über das eigene Co2-Budget hinaus konsumiert wird – droht die sogenannte „Pflanzwerdung“. Die meisten Klient*innen des sozioökologischen Therapiezentrums, in dem sich das immersive Theaterstück „Kill my Phantoms!“ abspielt, tragen bereits erste Spuren der Transformation auf ihrer Haut. Daher gilt es, nicht nur auf offensichtlich Überflüssiges, sondern auch auf vermeintlich Notwendiges zu verzichten – auf bestimmte Privilegien ebenso wie auf Güter. Damit geht unter anderem einher, dass die meisten großen Lebensbereiche der Klient*innen nur noch in der Vergangenheitsform existieren. Enzo, gespielt von Phillipp Laabmayr, muss erst lernen, von seiner großen Leidenschaft – dem Eistauchen – im Präteritum zu sprechen. Dass ihm das schwerfällt, ist gut nachvollziehbar. Verbot, Verzicht und Vernunft sind an die Stelle von teuren Helikoptersprüngen getreten.

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Wie auch alle anderen Klient*innen springt er mittlerweile nur noch zwischen den unterschiedlichen Räumen des Therapiezentrums hin und her: Gruppentherapie, Einzelgespräch, Wasch-Ritual und dazwischen vielleicht ein bisschen Tischtennis. Klar ist: In diesem Zentrum für adaptive Lebensführung geht es weder um große Sprünge noch um Wachstumsschübe. Von innerer Größe einmal abgesehen, findet Wachstum nur noch nach der „Pflanzwerdung“ statt.

Kill my Phantoms
Bis 15. März ist das Stück noch im Pavillon 24 am Otto Wagner Areal zu sehen.

Foto: Apollonia T. Bitzan

Übung im Verzicht

„Mich hat interessiert, in diese Befriedigung, die uns der Konsum, ein gewisser Lebensstil und gewisse Privilegien bringen, hineinzugehen und zu schauen: Was macht das mit uns? Ist das fast wie eine Sucht? Welche Therapieformen wären denkbar, wenn wir das als Krankheitsbild behandeln wollen“, so Regisseurin Veronika Glatzner im Interview mit Ö1. Die Theatermacherin und Gründerin des Vereins Tempora setzt sich in ihrer Arbeit häufig mit sozioökologischen Fragestellungen, den Grenzen des Wachstums, Kapitalismus und Klimawandel auseinander, möchte aber keinesfalls moralisieren. „Mich interessiert die Fehlbarkeit – das Scheitern am Versuch“, sagt sie. Auf humorvolle Weise, die dennoch nahegeht, beschäftigt sich „Kill my Phantoms!“, das Glatzner gemeinsam mit dem Ensemble entwickelt hat, mit der Frage nach der eigenen Handlungsmacht und den Gestaltungsmöglichkeiten des Individuums in Krisenzeiten.

Das immersive Stück ist noch bis 15. März im Pavillon 24 am historischen Otto Wagner Areal zu sehen. Ähnlich wie bei den Arbeiten von Nesterval begleitet das Publikum eine Figur (oder auch mehrere) durch unterschiedliche Räume. Wer möchte, kann zwischendurch auch einen Stopp bei der Bar einlegen. Manche der Räume betritt man also öfter, andere vielleicht weniger häufig oder gar nicht. Dadurch wird auch das Stück selbst an der ein oder anderen Stelle zur Übung im Verzicht. Anders als im Stück wird der Drang danach, alles zu konsumieren, jedoch nicht bestraft. Keine Sorge.

Zu den Spielterminen von „Kill my Phantoms!“