Der Planet Erde ist zu 71 Prozent mit Wasser bedeckt. Naheliegend also, sich damit zu beschäftigen. In der diesjährigen „Europa in Szene“-Ausgabe widmet sich „wortwiege“ dem größten aller Elemente in eigener Form: Von 6. bis 24. September 2023 findet die special edition „SEA CHANGE“ beim Festival in Wiener Neustadt statt. Schauplatz sind dabei die Kasematten, wo das Kollektiv die letzten drei Jahre ebenfalls vielseitig performen durfte.

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„‚wortwiege‘ ist eine lustvolle Art, Theater zu machen“, so die künstlerische Leiterin Anna Maria Krassnigg über das Kollektiv. „Kunst und Denken müssen nicht anstrengend sein, Kunst und Wissenschaft ergänzen sich gut.“ Daher gibt es im Programm einen Theaterteil und – wie es der Name „wortwiege“ schon verrät – einen diskursiven Teil, wobei sich beide hochkarätiger Literatur verpflichten.

Von Ovid bis Olga Flor kann die bisherige Bandbreite sich sehen lassen. Interkreative Formate, Literatur, Schauspiel, Musik und Film werden miteinander verbunden, daneben werden wissenschaftliche Themen im Salon diskutiert.

Erzählt werden hier Geschichten, die „das zeitgenössische Publikum betreffen, und diese Narrative sind es wert, sie im Theater zu erzählen“, so Krassnigg. Und heuer eben alles in der special edition „SEA CHANGE“. Behandelten die letzten drei Jahre Königsdramen und -mythen, so dreht sich alles in diesem Herbst um das Thema Meer und damit um „Die Kunst der Verwandlung“.

Something rich and strange

Der Begriff „Sea change“ kommt ursprünglich von niemand Geringerem als Shakespeare. Als „radikaler Paradigmenwechsel“ interpretierbar oder poetisch auch übersetzbar mit „ozeanische Verwandlung“ stammt er aus dem Stück „Der Sturm“, wo der Dramatiker wie folgt schreibt:

Full fathom five thy father lies;

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Of his bones are coral made;

Those are pearls that were his eyes:

Nothing of him that doth fade,

But doth suffer a sea-change

Into something rich and strange.

Hier appelliert er insbesondere an den Glauben, dass sich etwas nach etwas Tragischem zum naturnotwendigen Neuen verändert.

Wie Krassnigg auf die Meeresthematik gekommen ist? „Als wir zum ersten Mal durch die Räumlichkeiten der Kasematten gegangen sind, bin ich mir vorgekommen wie in einem Schiffsbau. Es hat etwas sehr Unterseeisches, etwas, was das Unterbewusste triggert. Königsdramen, also ‚Bunker der Macht‘ war dann meine nächste Assoziation.“

Der Raum sei bei solchen Performances der Hauptpartner. „In diesen Räumen ist die Begegnung eine andere. Ich habe mich wirklich in die Kasematten verliebt. Einen schöneren Wehrbau kenne ich nicht.“

Ich denke, man spürt unsere Art mit Sprache umzugehen – nämlich, dass wir sie lieben.

Anna Maria Krassnigg, Künstlerische Leiterin

International in Wiener Neustadt

Heuer werden hier einige internationale Gastspiele performt werden. „Ich programmiere sehr gerne gegen den Mainstream, und wenn man so etwas in Wiener Neustadt macht, muss man die Menschen erreichen. Deshalb haben wir von Anfang an geschaut, wie das Publikum mit unserem Programm mitgeht.“ Ab Frühjahr 2024 kann „wortwiege“ mit der gesamten Erfahrung aus den Aufbaujahren in die Programmierung der neuen Festivalzyklen gehen.

Das Publikum kommt dabei zu 60 Prozent aus Wiener Neustadt und Region, zu 40 Prozent aus Wien, schätzt Krassnigg. „In beides mischen sich überregionale und internationale Zuschauer*innen.“ Diese wären hierbei sehr heterogen, auch kämen Gäste extra aus der Slowakei oder Ungarn. „Ich denke, man spürt unsere Art, mit Sprache umzugehen – nämlich, dass wir sie lieben.“

Allgemein fußt das Festival auf vier Säulen: zeitgenössisches Sprechtheater, angewandte Wissenschaft, Nachwuchspflege und internationaler und interkreativer Aufbruch. „SEA CHANGE“ stellt im Grunde die letzte Säule der ersten vier Aufbaujahre dar. „Mir war von Anfang an wichtig, die Internationalität zu fördern.“

Über die Jahre kann „wortwiege“ auf viele Partnerschaften verweisen, 13 Länder fungieren bereits als Kooperationspartner. Auch der Nachwuchs kommt dabei nicht zu kurz; so werden auch angehende Theatermacher*innen wieder ins Programm eingebunden.

Eine Weiterführung des Projekts sei schon für die nächsten drei Jahre geplant. „SEA CHANGE bleibt im Programm und als eine der vier Säulen bestehen.“

Vier Tage nach dem Festival in Wiener Neustadt wird es in Israel mit den Inszenierungen weitergehen. Der Terminkalender ist also voll. Krassnigg hat sich sogar ein Sabbatical genommen, wo sie im kommenden Jahr ihre Regieprofessur am Max-Reinhardt-Seminar aussetzen wird.

SEA CHANGE Anna Maria Krassnigg
In der special edition „SEA CHANGE" dreht sich alles um das Thema Meer und um die Kunst der Verwandlung.

Foto: Christian Mair

Was man sich von der special edition heuer erwarten kann? „Einen lebendigen Diskurs, eine Reise ans Meer. An die Meere“, fügt Krassnigg hinzu. „Man kann sich ein ozeanisches Gefühl und vor allem Erweiterung erwarten.“

Zum Schluss spricht die künstlerische Leiterin noch eine Einladung aus: „Man fährt von Wien wirklich nur eine halbe Stunde mit dem Zug, spaziert dann vier Minuten vom Bahnhof zu den Kasematten, und schon ist man in einer anderen Welt.“

Am besten selbst hinfahren und eintauchen.

Hier zum Programm von „Europa in Szene – SEA CHANGE“!