„Fröhliche Bescherung": Und was, wenn niemand lacht?
Eine lustige, kurzweilige Weihnachtskomödie – so würde Johanna Rieger ihr Stück „Fröhliche Bescherung“ beschreiben. Wir haben die Regisseurin vor der Premiere (23. November) getroffen. Über die Gemeinsamkeiten von Theater und Weihnachten, was es braucht, um lustig zu sein und was man macht, wenn niemand lacht.
BÜHNE: Erzähl uns gleich zu Beginn von dir: Wer bist du und was machst du?
Johanna Rieger: Ich bin Johanna Rieger, komme vom Schauspiel und ich habe vor ungefähr 10 Jahren das Sommertheater Klosterneuburg gegründet. Davor habe lange in der OFF Szene gespielt. Hauptsächlich mache ich das Sommertheater, das sehr gut läuft und sehr gut besucht wird. Da haben wir uns Komödien mit Tiefgang als Konzept ausgesucht, wo ich jedes Jahr ein Stück adaptiere. Unsere erste Produktion war „Bunbury“ von Oscar Wilde. Das Stück spielt nicht in England, sondern in Klosterneuburg und das kommt beim Publikum sehr gut an. Dann hatten wir die „Trilogie der Sommerfrische“ von Goldoni, „Lady Windermeres Fächer“ und „Der ideale Gatte“ von Oscar Wilde. Wir haben sogar während Corona gespielt, weil es open air ist.
Ich wollte schon immer eine Weihnachtsgeschichte als Komödie machen, weil viele Veranstaltungen im Advent stattfinden, aber meistens sind es Lesungen oder Kinderstücke. Eine Weihnachtskomödie, wo es drunter und drüber geht und die aktuell ist, ist mir nicht bekannt.
Worum geht es in „Fröhliche Bescherung“?
Weil ich so ein Oscar Wilde-Fan bin, habe ich das Märchen „Der ergebene Freund“ von Oscar Wilde adaptiert. Oscar Wilde attackierte die Herren und Damen der Oberschicht, und so wurde das Stück eine lustige Gesellschaftssatire.
Das Märchen für Erwachsene „Der ergebene Freund“ wurde vor über 100 Jahren geschrieben, also wäre es nicht aktuell. Ich habe die Thematik in eine Flüchtlingsthematik umgeschrieben. Die FPÖ betont immer wieder, „Sie nehmen uns unser Weihnachtsfest“ und bei uns bringt der Zuwanderer eben Pizza und Liebe.
Cäcilie (Johanna Rieger) freut sich auf ein ruhiges Weihnachtsfest mit ihrer beinahe 30-jährigen Tochter Clara (Chiara Höffinger). Diese wünscht sich ein Weihnachten wie in ihrer Kindheit. Cäcilie hat versprochen, ihren Vater (Rudolf Pfister) auch einzuladen, obwohl sie schon lange geschieden sind. Allerdings verheimlicht sie ihr, dass er die Einladung abgelehnt hat.
Alles läuft aus dem Ruder, als nicht nur die streng katholische, nicht eingeladene, streng katholische Oma (Silvia Steindl) vor der Tür steht, sondern auch noch Gerd (Michael Mischinsky), Claras Freund, mit dem sie gerade Schluß gemacht hat. Als Cäcilie dann noch den Pizzalieferant Mohamed (Kevin Koller) einlädt, den Heiligen Abend mit ihnen zu verbringen, geschieht plötzlich ein Weihnachtswunder. Es ist Liebe auf den ersten Blick zwischen Clara und Mohamed.
Eine Mischung aus Konversationsstück und Sitcom. Die witzigen Wendungen und geschliffenen Dialoge mit berührendem Tiefgang machen die Weihnachtskomödie zu einem vorweihnachtlichen Vergnügen.
Man bringt Menschen leichter zum Weinen als zum Lachen, finde ich. Lustig sein kommt von der Wahrheit, man muss universelle Emotionen ansprechen.
Johanna Rieger über die Schwierigkeit, lustig zu sein
Du hast eine Ausbildung gemacht und bist beim Schauspiel geblieben. Was war der Moment, wo du wusstest, du willst Schauspiel machen?
Schon ganz früh als Teenager, glaube ich. Weil es Spaß macht, in andere Charaktere zu schlüpfen. Ich habe auch nach der klassischen Ausbildung eine Method-Acting-Ausbildung gemacht und das war etwas, das mir sehr entspricht. Man lernt sich selbst kennen, in dem man jemand anderen spielt und sich traut, mehr von sich herzugeben, wenn einem der Text schützt. Und dieses fast schon exhibitionistische mochte ich schon als junges Mädchen.
Zuerst träumt man natürlich von Glamour, aber dann merkt man, dass es harte Arbeit ist. Es ist kein Beruf, es ist eine Leidenschaft. Wenn man für etwas brennt, kommt man nicht mehr davon weg.
Auf Streamingplattformen boomen regelrecht Weihnachtskomödien. Wie ist es im Theater, können Weihnachtsstücke genauso „in“ werden?
Ich würde mir wünschen, dass sie „in“ werden, ich habe Weihnachtskomödien kaum auf Bühnen gesehen. Nur „Christmas Carol“ wird jedes Jahr gespielt, ist aber keine Komödie. Unsere Komödie würde sich eigentlich perfekt zum Verfilmen eignen.
Mit welchen drei Wörtern würdest du das Stück beschreiben?
Lustig, (überlegt), Weihnachtsromantik und kurzweilig.
Du hast auch das Wort lustig erwähnt – du machst seit 2022 ein Solokabarettprogramm mit dem Titel „Sexy hat kein Ablaufsdatum“. Was ist das Schwierige daran, lustig zu sein?
Ich finde es generell schwierig, lustig zu sein und die Leute zum Lachen zu bringen. Oft findet man etwas lustig, was andere gar nicht lustig finden. Man bringt Menschen leichter zum Weinen als zum Lachen, finde ich. Lustig sein kommt von der Wahrheit, man muss universelle Emotionen ansprechen. Ich glaube, wenn das Publikum sich denkt „Ja genau" dann lacht es auch. Ich glaube, mit Ehrlichkeit kann man andere zum Lachen bringen.
Sowohl beim Kabarett als auch bei einer Komödie?
Das gilt für beide. Lustige Dialoge allein reichen nicht. Eine Situationskomik, wo Menschen sich wiederkennen, denke ich, ist lustig.
Und was macht man, wenn niemand lacht?
Dann stirbt man fast, es ist wirklich schlimm (lacht). Dann versucht man, sich mehr auf die Pointen zu setzen, was schiefgehen kann, weil das Publikum merkt, dass man das Lachen einfordern will. Man muss seine Figur einfach gut erarbeiten und in ihr bleiben. Wenn das Stück gut geschrieben ist, dann funktioniert das. Es ist eigentlich eine Timing-Sache. Man muss das richtige Timing finden und cool bleiben, wenn niemand lacht.
Du hast vorher auch erwähnt, dass es interessant wäre, einen Film daraus zu machen – du bist ja auch als Filmregisseurin tätig. Auf welche Dinge muss man mehr beim Theater achten, auf welche mehr beim Film?
Theater ist mehr Dialoge und Film ist mehr Bild.
Wie ist das beim Schreiben?
Natürlich muss ein Drehbuch filmischer schreiben, da muss man sich die Bilder vorstellen und es sollte vielleicht nicht so viel gequasselt werden. Beim Theater ist mehr Dialog. Man muss dann die Emotionen im Dialog ausdrücken und versuchen, nicht allzu platt zu sein. Auf der Bühne muss alles größer sein.
Wie bist du an „Fröhliche Bescherung“ herangegangen?
Also einerseits war zuerst diese Idee, das Märchen für Erwachsene von Oscar Wilde zu nehmen. Und dann habe mir gedacht, es muss eine Familiengeschichte sein; als würden die Leute im Theater sitzen und, wie man es zu Hause kennt, einen Weihnachtsabend miterleben. Dann habe ich mir überlegt, wie man das dramaturgisch ineinander verflechten könnte.
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Was reizt Dich besonders an den Figuren des Stücks?
Ich habe alle ein wenig überzeichnet. Zum Beispiel Gerd, der Freund der Tochter. Bei ihm habe ich Klischees aufgegriffen. Der neue moderne Mann, der weinen darf. Einerseits ist er jetzt der mitteleuropäische, weiße Mann, der versucht, mitzuhalten, in Therapie geht und lernt, ein weicher, moderner Mann zu werden, und versucht, die Frauen zu verstehen. Andererseits funktioniert das aber schlecht.
Die Tochter habe ich so gezeichnet, wie ich einige Frauen Ende 20 kenne. Mir ist aufgefallen, dass sie ihr Leben genau planen und durchstrukturieren. Wann sie das Studium beenden, danach heiraten und Kinder bekommen, genau in der Reihenfolge. Ich bin der Meinung, dass man sein Leben nicht durchplanen kann, und ich würde es auch nicht wollen. Ich bin eben eine andere Generation.
Mir war es bei der Besetzung wichtig , dass Mohamed (Anm. der Pizzalieferant) keinen Akzent hat, weil ich zeigen will, dass Zuwanderer auch perfekt Deutsch sprechen. Die streng katholische Oma ignoriert das und spricht mit Mohamed ein gebrochen-verdrehtes Deutsch. Diese Vorurteile wollte ich auch aufzeigen. Wenn man solche Themen ernst angeht, dann schaut es keiner an. Mit Humor lassen sich solche Themen leichter unterjubeln. (lacht) Dann ist eben auch dieser Mutter-Tochter-Konflikt über drei Generationen. Mir war zusätzlich wichtig, ein Stück zu schreiben, wo mehr Frauen vorkommen. Die Weltliteratur ist voll von Männern, und wenn eine Frau drin vorkommt, dann als love interest oder Ehefrau.
Was haben der Zauber von Theater und Weihnachten gemeinsam?
Es ist alles Theater. Eigentlich ist das Weihnachtsfest auch Theater, eine Inszenierung. Und natürlich die Magie, ein Zauber. Die Erwartungshaltung ist an Weihnachten so groß, dass sie meistens enttäuscht wird. Vielleicht ist das auch eine Gemeinsamkeit des Theaters, (lacht) da wird auch manchmal die Erwartungshaltung enttäuscht. Aber meistens nicht.