Stimme äußern und zuhören
Neues und anderes Publikum für die Wiener Staatsoper zu begeistern: Zwei junge Frauen gehen dafür mit einer mobilen Oper auf Bundesländer-Tour, lassen in der Vorstadt Oper für Jugendliche machen und freuen sich auf die neue Spielstätte der Staatsoper.
Sie mögen die großen Sätze nicht. Solche wie Unser Projekt kann die Welt retten. Dabei tut es das am Ende möglicherweise wirklich. Krysztina Winkel sagt lieber: „Die DNA unserer Projekte ist, eine Stimme zu äußern und zuzuhören – und zwar Menschen, mit denen man nicht jeden Tag frühstückt.“ Winkel und ihre Kollegin Katharina Augendopler sind als Teil der Outreach-Abteilung der Wiener Staatsoper dafür verantwortlich, den Geist des altehrwürdigen Hauses am Ring dorthin zu bringen, wo er bislang nicht war und auch nicht vermutet wird.
„Utoperas“, eine partizipative Oper, aufgeführt im Semper-Depot, war eines dieser Projekte. „Andy hat mein Leben verändert“, sagt einer, der dabei war, aus Wien-Favoriten stammt und davor noch nie mit Oper in Berührung gekommen ist. Andy Icochea ist gemeint, der musikalische Leiter des Projekts. Ein anderes Projekt war „On the road with Tschick“, mit dem im Stationentheater der gesamte Karlsplatz bespielt wurde. Und im CityLab wird derzeit, basierend auf der Oper „Animal Farm“ (die gerade eben höchst erfolgreich im Haus am Ring Premiere gefeiert hat), an einem neuen Stückentwicklungsprojekt gearbeitet. Augendopler: „Der älteste Teilnehmer ist 77, die jüngste elf Jahre. Die Menschen freuen sich, wenn ihnen zugetraut wird, dass sie auf der Bühne stehen können, und ihre Perspektiven ernst genommen werden.“ Premiere ist am 27. Mai.
„Wir wollen die Oper öffnen“, hatte Direktor Bogdan Roščić 2020 bei Start seiner Intendanz gesagt. Die Outreach-Abteilung ist Teil dieser Bestrebung. Winkel: „Menschen, die bei unseren Projekten mitmachen, tragen unsere Ideen weiter. Man redet draußen über die Oper, und wir lernen mit jedem Projekt dazu, verstehen, wer da im Raum ist. Wesentlich ist für uns bei jedem Projekt, ein Thema zu finden, das mit den Lebenswelten des Publikums zu tun hat, wo die Menschen Andockpunkte finden.“
Elektrische Fische
Einer dieser Andockpunkte wird gerade in Beton gegossen – in Form der neuen Spielstätte, des Französischen Saals im Künstlerhaus in Wien. 248 Plätze wird das Opernhaus haben und Ende des Jah- res eröffnen. Nicht nur, aber auch werden dort Outreach-Projekte stattfinden Bis dahin fahren die zwei Theaterpädagoginnen mit ihrem jüngsten Baby ins Land. Die Komponistin Hannah Eisendle hat den Jugendbuchbestseller „Elektrische Fische“ zu einer mobilen Jugendoper gemacht. Insgesamt fünf Personen stehen auf der Bühne, Orchester inklusive. Im Jänner war Uraufführung, buchen kann die Inszenierung jeder, der will. Letztens wurde im Stadtsaal Zwettl gespielt. Winkel, lachend: „Wir sind alle sehr hands-on, sonst würde dieses Projekt nicht funktionieren.“ Augendopler ergänzt: „Der schönste Moment war, als unser Tenor Lukas Karzel ins Falsett ging und ein Schüler hinter mir sich vor Begeisterung nicht mehr halten konnte, weil er so einen Ton noch nie gehört hatte.“ Da wären wir wieder am Anfang: Das Projekt kann die Welt retten, weil es durch Musik das Leben von Einzelnen schöner macht – und daher ...