Warum endet „Romeo und Julia“ so hysterisch, Herr Pirgu?
Am 8., 14. und 17. September kommt Romeo und Juliette auf die Bühne der Staatsoper, Saimir Pirgu singt Romeo. Wir haben 10 Fragen an den Tenor gestellt.
Wie tickt Romeo?
Er ist ein verliebter Junge, in dem zwei starke Werte und Gefühle nebeneinander bestehen: die Liebe (zu seiner angebeteten Julia) und die Freundschaft (zu seinem besten Freund Mercutio, den er nach der Hälfte der Oper verlieren wird)
Wie weit würden Sie für die Liebe gehen?
Ich muss sagen, dass die Rolle des Romeo perfekt das widerspiegelt, was ich unter Liebe verstehe: Ich liebe die Liebe ohne Grenzen und Schranken, für die Liebe würde ich alles geben und wäre bereit, alles zu tun.
Verstehen Sie, warum „Romeo und Julia“ so hysterisch endet?
Ja, ich kann es verstehen, es ist etwas, was besonders zur Liebe in jungen Jahren gehört; in jungen Jahren neigt man dazu, alles für die Liebe zu geben, ohne Zwänge und Grenzen zu lieben, und deshalb kann ich die reine und extreme Liebe von Romeo und Julia verstehen.
Wäre der Stoff ein Hit geworden, wenn sich alles in Wohlgefallen auf lösen würde?
Auch heute noch schafft es die tragische Liebe, die Aufmerksamkeit des Publikums auf sich zu ziehen, und sicherlich wäre das Stück weniger erfolgreich gewesen, wenn es keine Tragödie gegeben hätte. Leider muss die Gesellschaft damals wie heute etwas verlieren, was ihr wichtig ist, um zu erkennen, wie schön es ist, während es viel einfacher wäre, sich auf das Gute und das Bewusstsein für das Schöne im Alltag zu konzentrieren, die schönen Dinge des Lebens ständig zu schätzen und zu genießen, ohne sie verlieren zu müssen, um sich ihres großen Wertes bewusst zu werden.
Sie wurden von Luciano Pavarotti unterrichtet. Was hat er Ihnen geraten?
„Flieg hoch“, hat er mir immer gesagt. Um eine große Karriere zu machen, muss man hoch fliegen, wo andere nicht hinkommen, und das bedeutet viel Perfektion, harte Arbeit, ständiges Arbeiten und große Hingabe an den Job. Die Stunden mit ihm waren sehr kostbar für mich.
Keiner konnte das Publikum so gut mit seiner Stimme fangen wie Pavarotti. Was ist Ihr Trick?
Vom ersten Moment an in die Rolle eintauchen, das Publikum mit der Stimme führen, ihm immer wieder seine Musikalität und seine Kunst auf intelligente Weise vermitteln, sowohl technisch als auch emotional, niemals vorhersehbar.
Was kann Gounods Musik besser als der Text von Shakespeare?
Ich bin der Meinung, dass in der Welt der Oper zuerst die Musik und das Können der Interpreten kommt und dann alles andere. In dieser Oper befinden wir uns in einem unbestrittenen musikalischen Paradies, das dennoch auf eine andere Exzellenz trifft, nämlich den Shakespeare’schen Text: Das Ergebnis ist eine der schönsten Kombinationen, die die Opernwelt je gesehen hat.
Wie sehr ist diese Oper Pop? Regisseur Flimm inszeniert das Stück ja zu Beginn wie ein Popkonzert.
Es ist ein Werk, das sich gut für jede Epoche eignet und, warum nicht, auch sehr poppig sein kann. Alles hängt immer von den Ideen des Regisseurs ab, die, wenn sie klug sind und den Darstellern gut vermittelt werden, ein erfolgreiches Ergebnis garantieren.
Sein oder Nichtsein?
Ist das wirklich die Frage? Oder wirft Shakespeares weltberühmte Tragödie nicht noch spannendere Fragen auf? Regisseurin Karin Henkel hat die Hamlet-Figur auf fünf Spieler*innen aufgeteilt und möchte begeistern statt entgeistern. Weiterlesen...
Welche Emotion verbinden Sie mit der Wiener Staatsoper?
Es ist das Gefühl eines jungen Mannes, der in den Tempel der Oper kommt, um seinen Traum zu verwirklichen. Dieses Gefühl hatte ich, als ich als junger Mann an die Wiener Staatsoper kam, und es ist das gleiche Gefühl, das ich jedes Mal empfinde, wenn ich hierher zurückkehre, um zu singen. Ich bin mit der Oper, mit der Stadt Wien und vor allem mit dem Publikum auf besondere Weise verbunden, und ich hoffe, dass diese Verbindung so lange wie möglich anhält.
Warum gibt es so viele Witze über Tenöre, aber wenige über Bässe?
Ich denke, es hängt ein wenig von der anatomischen Beschaffenheit des Tenors ab: Wir haben eine Stimme, die nicht sehr normal ist, fast konstruiert, würde ich sagen, und wir haben einen starken Opern-Narzissmus, der dazu führt, dass wir immer in Konkurrenz zu den Sopranen stehen, mit denen wir die berühmtesten und schönsten Arien in der Oper teilen. Wir wurden immer von Komponisten und Librettisten geliebt, und all diese Besonderheiten haben immer großes Interesse beim Publikum geweckt, aber auch die anderen Stimmlagen gestört, was es zu Anekdoten und sehr lustigen Witzen über Tenöre veranlasst hat.